 |  | Gustav Klimt, Bauerngarten (Blumengarten), 1907 | |
Viel Geld für gute Ware. So lässt sich die Auktionsrunde mit impressionistischer und moderner Kunst bei Sotheby’s zusammenfassen. Denn noch nie erreichte ein Auktionshaus in London ein Ergebnis von 194,7 Millionen Pfund mit einer einzigen Versteigerung. In der Vorjahresauktion kamen für Sotheby’s bei 93,7 Millionen Pfund weniger als die Hälfte zusammen. Mit dem aktuellen Umsatzhoch scheint der internationale Auktionsmarkt die Flaute des Jahres 2016 hinter sich gelassen zu haben. Auch die übrigen Zahlen sprechen für sich: die losbezogene Zuschlagsquote lag wieder bei guten 88,9 Prozent, fünf Kunstwerke rangieren über 10 Millionen Pfund, die asiatische Sammlerschaft engagierte sich lebhaft, und Sotheby’s verzeichnete wieder deutlich mehr Neukunden als vor einem Jahr.
Zum Star der Londoner Auktionswoche avancierte Gustav Klimt mit seinem Gemälde „Bauerngarten“ aus dem Jahr 1907. Abgesichert durch ein unwiderrufliches Gebot, rief Helena Newman, die Leiterin der Impressionisten-Abteilung, den grün-blauen Teppich mit leuchtenden runden Farbpunkten bei 35 Millionen Pfund auf und dirigierte zuletzt vier über das Telefon zugeschaltete Bieter auf 42,5 Millionen Pfund hinauf. Mit Aufgeld zahlte der nicht genannte Käufer fast 48 Millionen Pfund. Freuen wird es vor allem den kanadischen, in London lebenden Sammler David Graham, der den mosaikartigen Naturausschnitt 1994 bei Christie’s ohne Gegenwehr zum Limit von 3,4 Millionen Pfund erworben hatte. Hier hat Geschmackswandel stattgefunden, der den „Bauerngarten“ nun zum teuersten Landschaftsbild bei Klimt werden ließ. Darüber hinaus kann sich das intensive Blumenbild auf die Fahnen schreiben, das drittteuerste Kunstwerk bei einer Auktion in Europa zu sein.
Klimts Geliebte
Auch das zweite Klimt-Bild des Abends fand eine rege Anhängerschaft. Denn die Wiener Klimt Foundation musste 3,7 Millionen Pfund aufwenden, um sein impressionistisches Frühwerk „Mädchen im Grünen“ von 1896 nach Hause zu führen. Dafür hat sie jetzt wahrscheinlich Klimts damalige Geliebte Maria Ucicka und damit die Ahnherrin der Stiftung. Denn aus dem Nachlass ihres unehelichen Künstlersohns Gustav Ucicky entspringt die Klimt Foundation (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen GBP). Zum vorprogrammierten Rekordsprung setzte Alfred Sisleys sonnige Winterlandschaft „Effet de neige à Louveciennes“ von 1874 an, und ein europäischer Sammler bewilligte dann auch die vorgesehenen 6,4 Millionen Pfund (Taxe 6 bis 8 Millionen GBP). Seine sommerliche Flusslandschaft „Le Loing à Moret, en été“ von 1891 blieb dagegen an 5 bis 7 Millionen Pfund hängen. Bei Camille Pissarros Jahreszeitenzyklus wollten die Bieter ebenfalls nicht so recht anbeißen. Für die vier querformatigen Landschaften von Frühling, Sommer, Herbst und Winter bewilligten sie nur 6,7 Millionen Pfund (Taxe 8 bis 12 Millionen GBP).
Wohnung mit Tomate
Auf den vorderen Plätzen der Zuschlagsliste tummelte sich vor allem Pablo Picasso. Sein spätkubistisches Stillleben „Plant de tomates“, gemalt im August 1944 vor einem Fenster der gemeinsamen Wohnung von ihm und Marie-Thérèse Walter in Paris, gab er zur oberen Schätzung von 15 Millionen Pfund ab. Einträglich waren zudem die 12 Millionen Pfund für seine späte, bunte „Femme nue assise“ von 1965 (Taxe 9,5 bis 12,5 Millionen GBP) und die 10,6 Millionen Pfund für die „Femme assise dans un fauteuil sur fond blanc“ von 1953, ein flächiges, braun-weißes Portrait seiner damaligen Geliebten Françoise Gilot (Taxe 6,5 bis 9,5 Millionen GBP). Dazwischen positionierte sich noch Amedeo Modiglianis melancholisches Portrait des jungen polnischen Malerkollegen Pierre-Edouard Baranowski in gelängter Gestalt und elegantem S-Schwung bei guten 14,1 Millionen Pfund (Taxe 10 bis 15 Millionen GBP), hinter Picasso das heitere Leben der Südseefrauen in Paul Gauguins „Te Arii Vahine – La Femme aux mangos“ von 1896 bei 7,3 Millionen Pfund (Taxe 7 bis 10 Millionen GBP).
Skulpturale Gegensätze taten sich mit Auguste Rodins posthum gegossener Bronze seines berühmten „Denkers“ um 1880/81 für 1,3 Millionen Pfund (Taxe 800.000 bis 1 Million GBP), Alexander Archipenkos abstrakt-kubistischer Frauengestalt „Seated“, gehauen 1936 in schwarzem Marmor, für 700.000 Pfund (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP) und Naum Gabos ungegenständlichem sphärischem Entwurf „Model for a Sculpture in Rotterdam“ von 1955 für 210.000 Pfund auf (Taxe 200.000 bis 300.000 GBP). Für die frühe Abstraktion standen außerdem noch Theo van Doesburgs „Contra-Composition VII“ von 1924 in De Stijl-Manier bei 1,3 Millionen Pfund (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen GBP) und Wassily Kandinskys Aquarell „Deutliche Verbindung“ mit Linien-, Dreieck- und Kreiskonstruktionen von 1925 bei 1,2 Millionen Pfund (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen GBP).
Rekord für Kokoschka
Teuerster deutscher Künstler der Auktion war Ernst Ludwig Kirchner. Seine Verehrung für die Freikörperkultur in den „Vier Akten unter Bäumen“, zwischen die er sich 1913 selbst mit Hut und Pfeife gestellt hat, spielte 4,7 Millionen Pfund ein (Taxe 3,5 bis 5 Millionen GBP). Max Beckmanns „Türkenbundlilien“ vor städtischem Nachthimmel von 1937 gab es schon 675.000 Pfund (Taxe 700.000 bis 900.000 GBP). Dagegen darf sich Oskar Kokoschka nun über seinen neuen Auktionsrekord freuen. Der gilt mit 2,8 Millionen Pfund seinem mit unruhigem Pinselstrich gemalten, älteren Liebespaar „Orpheus und Eurydike“ von 1917 (Taxe 1,6 bis 2 Millionen GBP). Millionenwerte für Druckgrafiken sind selten. Edvard Munch erzielte nun einen für seine Lithografie „Geschrei“, eine grafische Umsetzung seines berühmtesten Werks „Der Schrei“, bei 1,15 Millionen Pfund (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP).
Stachelfrauen
Da Salvador Dalís karge, von gespenstischen Figuren bevölkerte Wüstenlandschaft „Moment de transition“ von 1934, die erst im Mai 2014 bei Christie’s in New York für 8 Millionen Dollar den Besitzer gewechselt hatte, nun bei 6 bis 8 Millionen Pfund durchfiel, erreichte kein Surrealist die Top Ten-Liste. Den Spitzenplatz ergatterte sich René Magrittes steinerner übergroßer Apfel „Souvenir de voyage“ am ebenfalls grauen Meeresstrand um 1962/63 bei taxkonformen 2,9 Millionen Pfund. Seine Gouache „Le Repas de noces“ von 1940 mit einem Löwen, der sich stolz vor einem Tisch mit weißer Decke und einem hart gekochten Ei niedergelassen hat, schnitt mit 1,7 Millionen Pfund unerwartet gut ab (Taxe 900.000 bis 1,2 Millionen GBP).
Den ersten Platz im Auktionsranking Hans Arps nimmt nun sein aus einem weißen Marmorblock gehauener „Torse“ von 1931 bei 2,8 Millionen Pfund ein (Taxe 2,5 bis 3,5 Millionen GBP). Auch sein humorvoller „Homme-moustache“ von 1925 auf ausgesägter und bemalter Platte kann sich bei 1,4 Millionen Pfund sehen lassen (Taxe 1,2 bis 1,5 Millionen GBP). 500.000 Pfund mehr konnten Paul Delvaux’ puppenhafte Akte „Filles au bord de l’eau“ von 1966 auf sich vereinen (Taxe 1,7 bis 2 Millionen GBP). Seinen Wert auf 1 Million Pfund verdoppeln konnte Francis Picabias Doppelgesicht „Ino“ samt bemaltem Rahmen um 1930, oder auf 280.000 Pfund die „Quatre éléments“ von 1950 der tschechischen Surrealistin Marie Cermínová, die sich mit Künstlernamen Toyen nannte. Bei den niedrigeren Preisen reüssierten zudem noch Leonor Finis in einem Seerosenteich badende Frauen unter dem Titel „La Grange Batelière“ bei 180.000 Pfund (Taxe 80.000 bis 120.000 GBP) oder Félix Labisses stilisierte Frauenakte im Dornenwald „Premier voyage à l’intérieuer du pays“ von 1951 bei 48.000 Pfund (Taxe 20.000 bis 30.000 GBP).
Pechstein-Hoch in der Tagesauktion
Hermann Max Pechstein war der Star der Tagesauktion am 2. März. Sein im Komplementärkontrast von Gelb und Violett gemalter „Herbstabend“ von 1927 hätte auch ganz gut in die erlesene Auswahl tags zuvor gepasst. So musste ein europäischer Sammler immerhin 1,15 Millionen Pfund aufwenden, um die friedliche Abendstimmung aus dem Ostseebadeort Rowy mit nach Hause nehmen zu können (Taxe 700.000 bis 1 Million GBP). Die übrigen Werke Pechsteins sprachen die Kundschaft gleichfalls an: sein blühender „Kastanienbaum“ von 1922 bei 245.000 Pfund (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP), seine sparsam kolorierte Zeichnung „Akt in Spiegel“ von 1920 zur oberen Schätzung von 15.000 Pfund oder sein Aquarell „Herbstbaum mit Spiegelung“ bei 32.000 Pfund (Taxe je 10.000 bis 15.000 GBP). Auch Karl Hofer kann sich über die 340.000 Pfund für seinen ruhigen Akt „Nach dem Bade“ beim Abtrocknen von 1940 nicht beklagen (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP).
Bei Alexej von Jawlensky war der Zuspruch geteilt. Während sein zwar marktfrisches „Heilandsgesicht: Mondlicht (Verheißung)“ von 1922 bei 300.000 bis 400.000 Pfund liegenblieb, kletterte die noch weiter stilisierte Pastell-Version „Kleiner abstrakter Kopf“ von 1931 von 60.000 Pfund auf 115.000 Pfund. Respektabel waren noch die 460.000 Pfund für Wassily Kandinskys Kreisformation mit Keil „Unfester Ausgleich“ von 1930 (Taxe 350.000 bis 450.000 GBP), die 80.000 Pfund für Otto Dix’ Farbgewirr „Katze im Mohnfeld“ von 1948 (Taxe 30.000 bis 50.000 GBP) oder die 135.000 Pfund für Marianne von Werefkins Bäuerinnen vor Alpenkulisse von 1910, die beide „Rhythmen“ aufnehmen (Taxe 80.000 bis 120.000 GBP). Auch Alfred Kubin schlug sich mit seinem gruseligen Pastell „Sterbender Papst“ um 1905/06, der sich als Todesgestalt schon in den Sarg gelegt hat, bei 155.000 Pfund hervorragend (Taxe 18.000 bis 25.000 GBP). Da hatte sein österreichsicher Kollege Egon Schiele mit der Gouache „Nacktes Paar“ von 1911 bei 250.000 Pfund das Nachsehen (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP).
Teuerster französischer Künstler der Tagesauktion war Claude Monet mit seiner etwas unspektakulären Landschaft „Seine à Lavacourt“ bei taxkonformen 750.000 Pfund. Mehr Eifer kam bei Gustave Loiseaus schemenhafter Baumreihe „Brume sur l’Eure, Saint-Cyr“, die sich an Monets berühmter Pappel-Serie orientiert. Die violette Wetterstimmung von etwa 1900 führt nun sein Auktionsranking bei 350.000 Pfund an (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP). Gut behaupten konnte sich ebenfalls Tsuguharu Foujita mit seinen drei manierierten jungen Frauen unter einer Arkade bei der „Prière“ von 1951 für 170.000 Pfund (Taxe 100.000 bis 150.000 GBP) und vor allem mit seinem elegischen blickenden Halbakt „Youki au chat“ von 1923 bei 500.000 Pfund (Taxe 220.000 bis 280.000 GBP). Bei Odilon Redon überzeugte eine schlichte „Vase de fleurs“ vor neutralem beigefarbenem Hintergrund für 360.000 Pfund (Taxe 250.000 bis 350.000 GBP), bei Henri Martin das herbstliche Querformat „Les Vendanges“ für 110.000 Pfund (Taxe 60.000 bis 80.000 GBP) und bei Marcel Gromaire die Varietészene tanzender „Girls“ von 1929 für 105.000 Pfund (Taxe 50.000 bis 70.000 GBP). Aus der kleinen Skulpturensuite ragte eine unbetitelte Arbeit Lynn Chadwicks mit einem Menschpaar samt erhobenen Armen bei 210.000 Pfund heraus (Taxe 80.000 bis 120.000 GBP).
Die Einzelergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |