Das zeitgenössische Selbstportrait im Museum Folkwang  In seiner aktuellen Schau „Dancing with Myself“ präsentiert das Museum Folkwang in Essen Arbeiten von 33 Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts zum Thema Selbstportrait. Die 115 Exponate, darunter Arbeiten von David Hammons, Cindy Sherman, John Coplans, Martin Kippenberger, Alina Szapocznikow, Gilbert & George, Jo Spence, Ulrike Rosenbach, Urs Fischer und Adel Abdessemed, vereinen 36 Werke aus der Sammlung des Museums mit 78 künstlerischen Positionen aus der Pinault Collection, die damit ihre erste große Präsentation in Deutschland erfährt. Obwohl der Schwerpunkt der Schau auf Video und Fotografie liegt, sind auch die klassischen Gattungen der Malerei und Skulptur anzutreffen und spannen einen Bogen von den 1920er Jahren bis zur Gegenwart.
Das Selbstportrait und den eigenen Körper nutzen die Kunstschaffenden entweder als Akteur oder Ausgangpunkt für ein künstlerisches Werk. Im ersten Kapitel „Melancholie“ reflektierten Künstler über die Endlichkeit und Unendlichkeit, über Zeitlosigkeit und Vergänglichkeit sowie den Widerstand gegen Sterblichkeit und den Tod. Den Anfang setzt Alighiero Boettis dampfendes Selbstporträt von 1993/94. Die Bronzeskulptur zeigt Boetti, der einen Schlauch über seinen Kopf hält, aus dem Wasser fließt. Sobald dieses auf das durch einen Heizstab erhitzte Metall trifft, verdampft es. Boettis „Autoritratto“ ist nicht nur eine Metapher für den künstlerischen Schaffensprozess, sondern auch ein Hinweis auf Krankheit und Tod. 1993 wurde bei Boetti ein Gehirntumor diagnostiziert, der 1994 sein Leben einforderte.
Bei „Identitätsspiele“ steht die Imagination und das Rollenspiel im Mittelpunkt, darunter Rollenbilder der Gesellschaft oder die Flüchtigkeit des Selbst, so etwa in den Inszenierungen der französischen Literatin und Fotografin Claude Cahun aus den späten 1920er Jahren. Sie spielte mit sozialen wie geschlechtlich festgelegten Rollenbildern und trat auch im öffentlichen Leben mit kahl rasiertem Schädel auf. Ihre Fotografien entstanden wohl für eine Montage für ein Buch von Suzanne Malherbe, der Lebensgefährtin Cahuns. Cahun vermerkte auf einer Arbeit mit herausgeschnittenen Gesichtern: „Unter dieser Maske eine weitere Maske. Ich werde nie damit fertig werden, alle diese Masken abzulegen.“
Der Punkt „Politische Autobiografien“ untersucht den ironisch-spielerischen Umgang mit der Identität seit den 1980er Jahren. „Die aktivistische Geste als künstlerischer Akt ist das zentrale Element dieser Praxis, ihre Sichtweise ist eine dokumentarische und die Straße ist ihr bevorzugter Ort. In diesem Sinne fotografiert LaToya Ruby Frazier in einer fortlaufenden Serie ihre eigene Familie, dokumentiert Paulo Nazareth seine Flucht von Süd- nach Nordamerika und setzt sich Kimsooja als Nullkoordinate verlorener Identität in den Mittelpunkt ihrer Videoperformance“, so die Kuratoren Martin Bethenod, Florian Ebner und Anna Fricke. Den Abschluss bildet der Abschnitt „Rohmaterial“. Hier steht der Körper der Künstler im Zentrum, etwa bei Maurizio Cattelan, Steve McQueen und Bruce Nauman.
Die Ausstellung „Dancing with Myself. Selbstporträt und Selbsterfindung – Werke aus der Sammlung Pinault“ läuft vom 7. Oktober bis zum 15. Januar 2017. Das Museum Folkwang hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags und freitags zusätzlich bis 20 Uhr geöffnet. An Heiligabend, 1. Weihnachtstag und Silvester bleibt das Museum geschlossen. Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 6 Euro. Der begleitende Katalog zur Ausstellung ist im Museum für 40 Euro erhältlich.
Museum Folkwang
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D-45128 Essen
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