 |  | Francesco Salviati, Porträt eines jungen Mannes, 1546/48 | |
„Die Gotik hat nichts mit den Goten zu tun und die Romanik nichts mit den Römern. Der Manierismus aber hat sehr wohl etwas mit der Maniera zu tun“, sagt Bastian Eclercy, der Sammlungsleiter für italienische, französische und spanische Malerei vor 1800 am Städel Museum in Frankfurt. Die von ihm kuratierte, umfangreiche Sonderausstellung „Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“ dürfte in den nächsten Wochen und Monaten zu einem der größten Publikumsrenner im deutschen Museumsbetrieb werden. Anhand von 50 teils weltberühmten Gemälden sowie 81 weiteren Exponaten, darunter viele Zeichnungen und Skulpturen, wird der Florentiner Manierismus und damit eines der zentralen Kapitel der italienischen Kunstgeschichte erstmals außerhalb von Florenz in dieser Fülle vorgestellt. Viele der Bilder waren noch nie jenseits der Stadtgrenzen der toskanischen Kapitale zu sehen. Etliche andere hochkarätige Leihgaben sind aus Paris, London, Windsor Castle, New York oder Los Angeles an den Main gereist.
Maniera – was ist das eigentlich? Unter Maniera versteht man ganz allgemein eine bestimmte Art und Weise, einen unkonventionellen, eher eigenwilligen Stil oder eine künstlerische Handschrift, abgeleitet vom italienischen Wort „mano“ für Hand, die von der üblichen Norm abweicht. Der britische Kunsthistoriker John Shearman prägte dafür 1967 die Formel „The stylish style“. Was nun das Thema der Ausstellung angeht, bringt Bastian Eclercy es so auf den Punkt: „Die Kunst des Manierismus in Florenz hat viele Facetten: elegant, kultiviert, artifiziell, aber auch kapriziös und extravagant, bisweilen bizarr. Raffinierte Eleganz und kreativer Eigensinn zeichnen die Malerei der ‚maniera‘ als eines der faszinierendsten Phänomene der Kunst Italiens aus.“ Dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum, der von der neueren Forschung mit 1512 bis 1568 angegeben wird.
Francesco Salviatis „Bildnis eines jungen Mannes“ von 1546/48, das unter Experten als Quintessenz des manieristischen Porträts gilt, bildet einen der Höhepunkte der Frankfurter Ausstellung. Es zeigt einen dandyhaft-androgynen jungen Mann in vornehmer Blässe, der in ein elegantes dunkles Gewand gekleidet ist. Seine äußerst feingliedrigen Hände sind in geradezu unnatürlicher Haltung verdreht, die Finger abgespreizt. Die rechte Hand gibt die Handinnenfläche frei, die linke, mit einem Ring geschmückte, hält ein Paar edler, seidengefütterter Lederhandschuhe, ein Luxusaccessoire, das auf die gehobene soziale Stellung des Unbekannten hindeutet. Die Faltenwürfe seines Gewandes sind ebenso genau ausgeführt wie die der üppigen, lindgrünen Stoffbahnen, vor denen er posiert. Im landschaftlich aufgefassten Hintergrund erlaubt sich der Maler einige verspielte, symbolisch aufgeladene Details. So erkennt man eine junge, nackte Frau, die aus einer Blüte hervorsteigt. Sie steht ganz offenbar für die „blühende“ Stadt Fiorenza, also Florenz. Der hinter ihr lagernde, etwas schwerfällige, von Wasser umspülte nackte Mann hingegen dürfte eindeutig als Personifikation des Flussgottes Arno gemeint sein.
Im Fokus der Schau stehen aber zwei andere, sehr namhafte Künstler des 16. Jahrhunderts: Jacopo Carucci, besser bekannt unter seinem Beinamen Pontormo (1494-1557), ist mit 38 Werken vertreten. Von Agnolo di Cosimo, genannt Bronzino (1503-1572), stammen 25 Arbeiten. Eclercy bezeichnet die beiden als „zentrale Prägefiguren“ der Generation nach Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarroti und Raffaello Sanzio, den Malern der Hochrenaissance. Und wie es sich für „junge Wilde“ gehört, haben sie gleich zu Beginn ihrer Karrieren versucht, sich von den mächtigen Übervätern abzugrenzen. Die malerische Nachahmung der Wirklichkeit wich in ihren Werken einem forcierten und experimentierfreudigen Kunstcharakter. In Frankfurt wunderbar zu vergleichen sind etliche ihrer hier erstmals zusammengeführten Fassungen der mittelalterlichen Legende von den Zehntausend Märtyrern. Bastian Eclercy betont denn auch: „In unserer Schau liegt der Fokus auf den Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Künstlern.“
Von Bronzino stammt allerdings auch das Bild aus der Sammlung des Städel Museums, das den Ausgangspunkt für diese Ausstellung gebildet hat. Sein berühmtes „Bildnis einer Dame in Rot“ um 1535/40 zeigt das detailreich ausgeführte Porträt einer jungen, selbstbewussten Dame, deren Strenge und Kontrolliertheit durch das eher drollig dargestellte Hündchen auf ihrem Schoß kräftig konterkariert werden. Ihm zur Seite gestellt sind etliche andere Damenporträts. Die enge Verbindung dieser Malergeneration zu den Medici, der als „Paragone“ bekannte Wettstreit von Malerei und Skulptur, ein monumentales Modell von Michelangelos Treppe der Biblioteca Laurenziana und schließlich ein ebenso aufschlussreicher wie intimer Einblick in Pontormos in seinen letzten beiden Lebensjahren verfasstes Tagebuch, eines der ältesten erhaltenen Künstlerbücher überhaupt: Die sorgfältig kuratierte, in acht abwechslungsreiche Kapitel gegliederte Ausstellung bietet Anschauungsmaterial in Hülle und Fülle. Und sie vereint sogar Werke, die auch in Florenz, dem Epizentrum des Manierismus, auf sieben verschiedene Sammlungen verstreut sind.
Die Ausstellung „Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“ läuft 24. Februar bis zum 5. Juni. Das Städel Museum hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr sowie donnerstags und freitags zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet. Geschlossen bliebt an Heiligabend und Silvester. Der Eintritt beträgt 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, für Kinder unter 12 Jahren ist er frei. Der 304seitige Katalog aus dem Prestel Verlag kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 49,95 Euro. |