Chantal Akerman gestorben Chantal Akerman ist tot. Die belgische Filmemacherin und Videokünstlerin starb am Montag überraschend in Paris. Sie wurde 65 Jahre alt. Akerman, die 1950 in Brüssel zur Welt kam, war eine unangepasste Künstlerin, die mit ihren Filmen gesellschaftliche und politische Strukturen sichtbar machen, darüber aufklären und sie verändern wollte. Als „Widerstandskämpferin gegen das Kino der Gefälligkeiten“, wie Jean-Luc Godard sie bezeichnete, fand Akerman das große Publikum selten. Dafür war sie in Kunstkreisen umso mehr geschätzt. So nahm sie 2002 an der Documenta 11 in Kassel mit ihrer Filminstallation „From the other side“ teil. Die Arbeit spielt an der Grenze zwischen Mexiko und den USA und behandelt das Elend der Menschen, die versuchen, nach Nordamerika einzuwandern.
Für ihren Beitrag „Woman Sitting After Killing“ zur Biennale in Venedig 2001 verwendete Chantal Akerman die Schlussszene aus ihrem Schlüsselwerk „Jeanne Dielman, 32 Quai de Commerce, 1080 Bruxelles“ von 1975. Darin beschreibt sie das Leben einer verwitweten gutbürgerlichen Mutter in Belgien, die nichts mehr von ihrem Leben erwartet. Die täglichen Pflichten bestimmen zwanghaft ihr geordnetes Dasein, verleihen ihm aber keinen Sinn. Und weil das Geld nicht reicht, verdingt sie sich nebenbei als Prostituierte, was sie genauso geschäftsmäßig und unberührt abwickelt wie die anderen Tätigkeiten des Alltags. Zum Schluss sitzt sie am Küchentisch und holt tief Luft, kurz nachdem sie ihren Freier umgebracht hat.
Der Film erkläre sich weniger aus Handlung und Dialogen als aus dem Zwang seiner Bilder und den sich daraus ergebenden emotionalen Sogwirkungen, so das Lexikon des internationalen Films. Dies gelang Akerman durch eine fast bewegungslose Kamera, die in ungewöhnlich langen Einstellungen das Leben der Mutter fokussiert. Ihr Handwerk, das sich radikal vom unterhaltenden Erzählkino unterschied, erlernte sie weniger in klassischen Ausbildungsstätten. So verließ sie belgische Filmschule noch vor dem Ende des ersten Semesters. Es waren vielmehr Michael Snow und Jonas Mekas, die ihr Werk beeinflussten. Sie lernte die amerikanischen Experimentalfilmer zu Beginn der 1970er Jahre während eines zweijährigen Aufenthaltes in New York kennen.
Akermans Blick war zumeist auf die Frau und ihre Rollen in der Gesellschaft gerichtet, auch wenn sie selbst einmal sagte: „Ich mache keine Frauenfilme, ich mache Chantal Akerman-Filme“. Doch zugleich sah sie in „Jeanne Dielman“ einen feministischen Film, „weil ich hier etwas Raum gebe, das sonst fast nie gezeigt wird: den täglichen Gesten einer Frau“. Auch in ihrem letzten Film „No Home Movie“, den sie im August beim Filmfestival in Locarno dem Publikum präsentierte, geht es um eine Frau: Er handelt vom Sterben ihrer Mutter, einer Holocaust-Überlebenden von Auschwitz. Im März dieses Jahres erhielt Akerman den Bielefelder Friedrich Wilhelm Murnau Filmpreis für „ihr individuelles, streng persönliches Schaffen, mit dem sie dem europäischen Autorenkino seit über 40 Jahren eine einzigartige Stimme schenkt“. |