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Journal

Im deutschen Südwesten gewähren Welterbestätten spannende Einblicke in unterschiedliche Lebenswelten

Lüste und Lasten mit Kriegern, Pfahlbauern und Mönchen



Die Klosterinsel Reichenau

Die Klosterinsel Reichenau

Schon die Anfahrt wird zum Erlebnis. Anstelle der ehemaligen Furt verbindet seit 1835 ein aufgeschütteter Damm die Bodenseeinsel Reichenau mit dem Festland. Ihr Weltruhm gründet auf drei romanischen Klosterkirchen, unvergleichlichen Prachthandschriften und dem hier um 827 gefertigten St. Gallener Klosterplan. In der Tat weist der einzige erhaltene Architekturplan des frühen Mittelalters erstaunliche Übereinstimmungen mit der Mittelzeller Anlage von St. Maria und Markus auf. Der 816 geweihte Kirchenbau ist die Keimzelle des Benediktinerklosters mit angegliederter Bibliothek samt Skriptorium. Rasch avancierte die Abtei zu einem bedeutenden politischen und künstlerischem Zentrum Europas.


Klosterinsel Reichenau

Hochgebildete Mönche betätigten sich als Forscher und Wissenschaftler. 825/26 verfasste der Mönch Walahfrid Strabo mit „De cultura hortorum“ die erste gartenbauliche Abhandlung seit der Antike. Ins elfte Jahrhundert datiert der künstlerische Höhepunkt der Reichenauer Buchmalerei. Trotz vieler Verluste existieren heute weltweit noch 40 der mit vielen Bildern versehenen Handschriften. Experten zählen die nicht nur für den Eigenbedarf, auch für den Export geschaffenen und reich illustrierten Codices zu den wertvollsten Büchern der Welt. Gefertigt wurden sie im Skriptorium, das noch heute, allerdings als Lapidarium genutzt, unter der Schatzkammer neben dem Mittelzeller Münster existiert.

Jeder Besucher der Reichenau wird jedoch von der St. Georgskirche in Oberzell begrüßt, erbaut für die Aufnahme von Reliquien des heiligen Georg. Berühmtheit verschaffen dem Bau ab 950 an den Langhauswänden großformatig aufgetragene Monumentalmalereien. Die zu den ältesten Kunstwerken ihrer Art zählenden Werke bereiten heute große konservatorische Probleme. Zwangsläufig müssen Besichtigungsmöglichkeiten immer weiter eingeschränkt werden, um die in den 1980er Jahren aufwendig restaurierten Fresken dauerhaft zu erhalten. Um den Besucheransturm zu verteilen, wurden auf der Klosterinsel, die die UNESCO im Jahr 2000 in ihre Welterbeliste aufnahm, nahe bei den Kirchen minimalistisch gestaltete Ausstellungsmodule eingerichtet. Der kunsthistorischen Relevanz der Malschule widmet sich ein Teil der Exponate im Oberzeller Museum. Der für den Erzbischof Egbert von Trier ab 980 hier geschaffene und als Faksimile ausgestellte „Codex Egberti“ gilt als Hauptwerk ottonischer Buchkunst.

Nicht versäumen sollte man den weiten Weg bis ans Ende der Insel zur Kirche St. Peter und Paul in Niederzell. Sie vermittelt besonders einprägsam die Prozesshaftigkeit der Baukunst. Romanischer Kernbau mit Apsismalereien, eingebrochenes gotisches Fenster, neugotische Verglasung und die Überformung des Inneren im Rokoko verweisen auf verschiedene Epochen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Nutzung. Religion wird auf der Insel bis heute gelebt. Tägliche Gottesdienste, Inselfeiertage und Prozessionen stehen für das Ineinandergreifen von Tagesgeschehen und Religiosität. Seit der Zeit des Konstanzer Konzils ab 1414, als nur noch zwei Mönche, der Abt und sein Neffe hier lebten und die Hochzeit des 1757 aufgelösten Klosters schon längst vorüber war, gerät das Eiland ins Visier der Touristen, deren Ströme heute intelligent gelenkt werden müssen. Seit September 2001 leben wieder Benediktiner auf der Reichenau.

Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen

Gegenüber den visuell konkret fassbaren Artefakten sind die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen ein nahezu unsichtbares Welterbe. Unterwasserarchäologische Forschungen und in Mooren oder Seegründen geborgene Funde verlangen eine besonders sensible Vermittlungsaufbereitung, möchten man nicht in ein Disneyland verfallen. Das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen aus sechs rekonstruierten Pfahlbaudörfern mit insgesamt 23 Häusern der Stein- und Bronzezeit gehört zwar zu den kulturellen Höhepunkten der Region, aber nicht zum Welterbe, sondern ist lediglich als Schaufenster zu verstehen. Seit 2011 sind 111 prähistorische Pfahlbaustandorte rund um die Alpen bei der UNESCO gelistet, davon befinden sich 15 in Baden-Württemberg und drei in Bayern. Neun liegen am Bodensee, wo seit 1981 in Gaienhofen-Hemmenhofen eine zentrale Forschungsstelle besteht.

Die Bedeutung dieses Welterbes liegt in den einmaligen Erhaltungsbedingungen unter Luftabschluss im Wasser. So konnten besonders organische Materialien wie Textilien, Pflanzenreste und Holzgegenstände die Zeit überdauern. Heute gewähren sie faszinierende Einblicke in die prähistorischen Lebenswelten aus dem fünften bis ins erste Jahrtausend vor Christus. Letzte Pfahlbauten existierten bis um 600 vor Christus. Seit 150 Jahren heben Taucher sensationelle Funde ans Tageslicht, die unter anderem auch den intensiven Warentausch nach Italien oder Nordwesteuropa belegen.

Spezieller Aufmerksamkeit gelten die verschiedenen Hausformen und Kulturgruppen. Allerdings sind die vornehmlich in Flachwasserzonen gelegenen Fundorte besonders gefährdet und müssen durch Auffüllungen, Abdeckungen oder Geotextilien geschützt werden. Lediglich an der Ostmole zu Unteruhldingen visualisiert eine offene Stahlkonstruktion die davor im Seegrund liegenden Reste der versunkenen Siedlung „Stollenwiesen“. Die einst stark befestigte bronzezeitliche Siedlung gilt als bedeutendstes Pfahlfeld am See. Auch an Kleinseen oder Mooren wie am Federsee werden Feuchtbodensiedlungen erforscht. Letzteres ist als fundreichstes Moor Europas bekannt. Dicht wie wohl nirgends sonst befinden sich hier im 45 Quadratkilometer großen Federseebecken ungewöhnlich gut erhaltene Jagdlager, Moorsiedlungen und Pfahlbauten aus vorgeschichtlicher Zeit.

Hier fanden sich die ältesten Textilien und Räder Europas. In einem architektonisch bemerkenswerten und in Anlehnung an Pfahlbauten aufgestellten Atriumbau des renommierten Museumsarchitekten Manfred Lehmbruck aus dem Jahr 1968 werden zahlreiche Originalfunde präsentiert. Im Außenbereich sind nach Ausgrabungsbefunden zwölf rekonstruierte Häuser aufgebaut. Ein archäologischer Moorlehrpfad führt zu nahebei erforschten Feuchtbodensiedlungen und erlaubt Einblicke in großflächige Renaturalisierungsmaßnahmen, die auch zur Sicherung bedrohter Fundstellen eine Anhebung des Grundwassers bewirken sollen.

Der Obergermanisch-Raetische Limes

Auch bei dem am 15. Juli 2005 in die Welterbeliste aufgenommenen Obergermanisch-Raetischen Limes erschließen sich Hinterlassenschaften nicht auf den ersten Blick. Die im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus auf einer 550 Kilometer langen Strecke zwischen Donau und Rhein errichtete Sperranlage zur Verhinderung von Raubzügen, unkontrollierter Zuwanderung, besserer Zolleintreibung und Unterbindung von Waffenexporten umfasste rund 900 Wachtürme, 90 Kastelle, Palisaden und Mauern, in denen 30.000 römische Soldaten ihren Dienst versahen. Nach der Chinesischen Mauer ist der Limes das größte Bodendenkmal der Welt. Schaltzentrale am Limes war Aalen, wo einst das größte römische Reiterkastell nördlich der Alpen bestand. Seit 1964 besteht hier auf den vergrabenen Resten das Limesmuseum nebst archäologischem Park als überregionalem Informationszentrum.

Zahlreiche Funde und Modelle veranschaulichen die Befestigungsarchitekturen und den Verlauf auf 164 Kilometern durch Baden-Württemberg. Das Limesmuseum präsentiert Aspekte wie Heeresorganisation, Kleidung und Bewaffnung, Soldatenalltag, Speisegewohnheiten oder Religiosität ansprechend in direkter Sichtverbindung zur Ausgrabungsstätte. Neben der einst sechs Meter hohen Kastellmauer oder dem zentralen Stabsgebäude verdeutlicht das Teilmodell einer Reiterkaserne den Lebensalltag der hier stationierten Militärtruppe. Limeswander- oder Radwege sowie Limesstraßen führen von hier aus entlang des ehemaligen Verlaufs zu vielen weiteren rekonstruierten Türmen und Kastellen. Auf einigen Abschnitten wurden die nach außen glatten, nach innen – d.h. zum Römischen Reich – gerundeten Holzpalisaden und Gräben adäquat der Befunde wieder hergestellt. Eine Reihe rekonstruierter, auf Sichtweite angeordneter Wehrtürme verdeutlicht das engmaschige Kontrollnetz. Es war teils über viele Kilometer schnurgerade durch die Landschaft gezogen und diente neben seiner fortifikatorischen Wirkung sicherlich auch zur Machdemonstration. Nach vermehrten Einfällen germanischer Völker um 260 nach Christus wurde der Limes aufgegeben und verlor an Bedeutung.

Neu hinzugekommen sind im vergangenen Jahr drei stählerne Aussichtsplattformen in modernen Formen. Entlang des Limesverlaufs bei Zweiflingen, Öhringen und Pfedelbach sollen sie einen guten Überblick über die wie mit dem Lineal vor mehr als 1800 Jahren gezogene Grenzlinie verdeutlichen. Nach den Plänen des Öhringener Architekturbüros Knorr & Thiele wurden in der Hohenloher Gegend drei hohe dreieckige Metallkonstruktionen entworfen. Treppen in expressionistisch anmutenden Stahlgebilden führen auf eine schwebende Plattform. Besonders gut in die Weite des Limesverlaufs lässt sich von der Plattform bei Gleichen schauen. Acht Meter weit ragt sie von der Hangkante hinaus unweit der Stelle, an der einst ein sechseckiger Wachturm die Silhouette beherrschte.

Kloster Maulbronn

Mit der Aufnahme des Klosters Maulbronn in die UNESCO-Welterbeliste im Jahr 1993 fand die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage nördlich der Alpen eine adäquate Würdigung. Keine zweite Zisterzienserabtei blieb in derart umfassender Geschlossenheit bewahrt wie das 1147 gegründete Kloster. Genau genommen handelt es sich um eine Klosterlandschaft inklusive Ländereien, Weinbergen, Fischteichen bis hin zur ausgeklügelten Wassertechnik. Die großflächige, von Gräben und Mauern umfasste sowie von Türmen bewehrte Anlage erscheint fast wie eine eigene Stadt in der heute 6.000 Einwohner zählenden Gemeinde Maulbronn.

Durch eine Toranlage gelangt der Ankommende zunächst in den weitläufigen Wirtschaftshof, der für sich genommen wie ein eigenes Dorf erscheint. Alle ehemaligen Wirtschaftsgebäude sind zwar erhalten, werden aber zeitgemäß genutzt. Der achtstöckige Fruchtkasten dient als Stadthalle. Im ehemaligen Marstall ist das Rathaus untergebracht. Auch die Schmiede, Wagnerei, Küferei, Mühle und viele andere ehemalige Betriebsbauten wurden im Laufe der Jahre anderen Nutzungen zugeführt. Nach der Reformation und der Abwanderung der letzten Mönche ins Exil um 1536/37 widmete das württembergische Herrscherhaus Maulbronn wie auch weitere Klöster im Jahr 1556 zur Schule um. Noch heute ist hier das evangelische Gymnasium mit Internat untergebracht.

Kern der den Ordensregeln der Zisterzienser entsprechend schlicht gestalteten, aber dennoch repräsentativen Ansprüchen genügenden edlen wie großzügig bemessenen Ausgestaltung bilden die Kirche und die Klausur. Stilistisch verkörpert das Ensemble die Übergangszeit von der Romanik zur Gotik. In der noch eher der Romanik verpflichteten, durch einen schlichten Dachreiter akzentuierten Kirche trat an der Stelle einer Flachdecke 1424 ein Netzgewölbe. Ausgesprochen nobel proportioniert, gilt das 1220 vorgesetzte Paradies als eines der schönsten Räume der Frühgotik. Auch der imposante Speisesaal der Mönche, das Herrenrefektorium und das ebenfalls zweischiffige Laienrefektorium zählen zu den vortrefflichsten Innenarchitekturen dieser Epoche.

Unbestrittener Höhepunkt jedoch stellt das Brunnenhaus mit dem als Wahrzeichen auftretenden Dreischalenbrunnen dar. Fußend auf dem schöpferischen Geschichtsverständnis des 19. Jahrhunderts, wurde die ehemals solitäre untere Sandsteinschale 1878 um die mit Löwenköpfen verzierte gründerzeitliche Mittelschale sowie die obere bronzene des ehemaligen Abtbrunnens aus den Jahren um 1450 samt Laterne zu einem Patchwork gestaltet. Allein in den letzten 20 Jahren flossen 52 Millionen Euro in die Restaurierung des Klosters Maulbronn, das pro Jahr Ziel von rund 130.000 Besuchern ist.

www.reichenau.de
www.pfahlbauten.de
www.limesstrasse.de
www.deutsche-limeskommission.de
www.kloster-maulbronn.de

www.unesco-welterbe.de



08.06.2015

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

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