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Landschaft an der Nidda, 1898 / Hans Thoma

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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Auktions-Vorbericht

Kaum schließen sich am Wochenende die Tore der Art Basel und ihrer Satellitenmessen, warten ab Montag Londons Traditionsauktionshäuser mit den hochkarätigsten Vertretern des Impressionismus und der Moderne auf. Besonderes Interesse weckt Christie’s in London nach seinem Rekordergebnis von fast 1 Milliarde US-Dollar im Mai

Die europäischen Meister der Moderne geben sich die Ehre



Franz Marc,  Kinderbild (Katze hinter einem Baum), 1910/11

Franz Marc, Kinderbild (Katze hinter einem Baum), 1910/11

Der bisherige Umsatzrekord, den Christie’s in der Geschichte des Auktionswesens aufstellte, liegt nur wenige Wochen zurück. Exakt 975.178.500 US-Dollar erzielte es in New York für seinen dreitägigen Auktionsmarathon mit Kunst seit 1945 und stellte mit diesem Ergebnis alles davor Gewesene in den Schatten. Geht man bei der Abendauktion am kommenden Dienstag von einem Totalverkauf aus, wären immerhin noch zwischen 96 und 140 Millionen Pfund erreicht. Es bleibt abzuwarten, wie viel die Crème de la Crème des Impressionismus und der Modernen Kunst in London einbringen wird. 60 Lose erwarten den passionierten Sammler. Sieben hoch geschätzte Arbeiten Giacomettis führen diese an. Neben Gemälden von Matisse, Marc und Mondrian sowie anderen Meistern der europäischen Malerei des 20. Jahrhunderts richten besonders die Stücke aus renommierten Privatsammlungen den Fokus auf die Moderne. Zudem umfasst das Angebot von Christie’s eine Auswahl an deutschen Expressionisten des Blauen Reiters und der Brücke bis hin zu Vertretern von Dada und De Stijl.


Unter den Meisterwerken im Londoner Hauptsitz des Traditionshauses befinden sich zwei traumhaft schöne Uferlandschaften vom Namensgeber des Impressionismus. Claude Monet fing natürliches Licht und die Atmosphäre des Augenblicks in seinen Bildern ein. Skizzenhaft und mit kommaförmigem Pinselstrich vermischen sich winterlich blasse, helle Farben aus einiger Entfernung zu „L’Hiver près de Lavacourt“, der Darstellung eines einsamen Fischers in seinem Boot, der sich seinen Weg durch die zugefrorene Seine kämpft. Das kleine Ölgemälde gehört zu einer Bilderfolge, die Monet während des zähen Winters 1880 kreierte. Die Eisschollen, die punktuell auf der Wasseroberfläche schwimmen, werden in der Forschung als Vorläufer der berühmten „Nymphéas“-Serie angesehen (Taxe 1,4 bis 2 Millionen GBP). Zwei Jahre später entstand „La côte de Varengeville“ bei Monets Aufenthalt in der Normandie. Durch eine stark abfallende Perspektive von einer Klippe, die der Leinwand eine breite Fläche für das blassblaue Meer und den Himmel bietet, strahlt das Sujet unterschwellige Dramatik aus. Das signierte und datierte Ölgemälde ist auf 1,5 bis 2,5 Millionen Pfund geschätzt.

Auch von anderen Teilnehmern der ersten und Aufsehen erregenden Gruppenausstellung der Impressionisten im Jahr 1874 sind hervorragende Malereien zu erwerben. Pierre-Auguste Renoirs „Madeleine au corsage blanc et bouquet de fleurs“ ist das erste Bild, auf dem seine damals neueste Muse in schillernden Rosa- und Weißtönen zu sehen ist, nachdem Renoirs Beziehung zu seinem vorherigen Modell zu einer Ehekrise geführt hatte (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen GBP). Aus dem Nachlass des Künstlers selbst stammt Camille Pissarros „Les laveuses à Éragny“, eine Alltagsszene mit vier Frauen und einem Kind, die er 1901 plein air malte und in Pinselstrich und dynamischem Farbauftrag an Vincent van Gogh anlehnte (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP). Eines der Highlights dieser Auktion ist das auf 3,5 bis 5,5 Millionen Pfund taxierte Aquarell „La Montagne Sainte-Victoire vue des Lauves“ von Paul Cézanne, entstanden zwischen 1902 und 1906. Nicht zuletzt ihm und seinen Bildern ist es geschuldet, dass es sich bei dem Motiv um die berühmteste regionale Landschaftsansicht der Provence handelt, die Cézanne in nahezu jeder Phase seiner Karriere immer wieder porträtierte.

Noch während diese Künstler ihr Spätwerk schufen, läuteten die vielfältigen avantgardistischen Stilrichtungen der Klassischen Moderne das Ende der Belle Époque ein. Die erste neue künstlerische Bewegung der französischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Fauvismus, der die Loslösung vom Impressionismus propagierte. Von dessen Hauptvertreter und Wegbereiter Henri Matisse bietet Christie’s das 1921 entstandene Ölgemälde „L’artiste et le modèle nu“ an. Matisse’ Werk ist getragen von einer flächenhaften Farbgebung und spannungsgeladenen Linien, einem spielerischen Bildaufbau und der Leichtigkeit der Komposition. Während seiner Nizza-Periode widmete sich Matisse unter anderem dem Malen von Odalisken und seines favorisierten Modells Henriette Darricarrère. Lichtdurchflutete Interieurs standen im Zentrum seines Interesses. Das Motiv weist die für Matisse typischen emblematischen Attribute seiner Malerei auf: eine Frau, Blumen und bunte Stoffe, Teppiche und Vorhänge im Hintergrund. Erst der Zusammenklang dieser Farbflächen macht aus den angedeuteten, raren Linien einen Raum voll Plastizität. Hier stehen 7 bis 10 Millionen Pfund auf dem Preisschild.

Von Pablo Picasso stammen vier Werke. Besonders hervorzuheben sind seine im Alter von 19 Jahren entstandenen Arbeiten „Germaine“ (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP) und „Les amants dans la rue“ (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen GBP). Deutlich erkennbar ist hier noch des Künstlers Suche nach Orientierung: Gerade erst im Paris der Jahrhundertwende angekommen, experimentierte Picasso mit vorherrschenden und vergangenen Stilen. Der Einfluss von Werken katalanischer Maler der Moderne und von Francisco de Goya ist ebenso deutlich, wie die Handschrift der Symbolisten. Eine Sonderstellung nimmt der koloristische Kubismus Fernand Légers ein. Der französische Maler schloss sich nach impressionistischen Anfängen der locker organisierten Puteaux-Gruppe an, die ideell im Umfeld des Kubismus anzusiedeln ist. Légers Studie „Contraste de formes“ von 1913 ist beherrscht von einer Agglomeration an schwarzweißen Zylindern und Würfeln, die sich zu einer zweidimensionalen Skulptur auftürmen (Taxe 1,2 Millionen bis 1,8 Millionen GBP).

Ein Sammler bedeutender Kunst war der kürzlich verstorbene Unternehmer und langjährige Präsident des Jüdischen Weltkongresses Edgar Miles Bronfman. Aus seinem Nachlass wird in London für 1,8 bis 2,5 Millionen Pfund ein Blatt von Egon Schiele aus dem Jahr 1911 versteigert. Es ist beidseitig mit einem „Akt mit roten Strumpfbändern“ und einem „Liegenden Akt“ gestaltet. Beide präsentieren dem Betrachter ihren entblößten und überspitzt gezeichneten Körper, fixieren ihn dabei mit festem Blick und provozieren mit ihrer aufgedrängten Sexualität. Österreichisch bleibt es bei Oskar Kokoschkas Spätwerk „Hamburg, Hafen II“ von 1961 mit unzähligen kleinen und größeren Dampfer und Schiffen vor der Kulisse der Hansestadt (Taxe 500.000 bis 800.000 GBP). Für den französischen Expressionismus steht dann Chaïm Soutines in Auflösung befindliche „Paysage“ von etwa 1923/24. Nicht scheint in dieser Dorflandschaft mit einem Menschen im Vordergrund mehr im Lot. Der Weg bricht auf, die Bäume biegen sich, und auch die Häuser wollen sich der aufgebrachten Bewegung der Natur anschließen (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen GBP).

Während Marc Chagalls Ölgemälde „Le cirque au fond noir“ von 1959 in einem atmosphärischen Zwielicht aus Dunkelgrün und Schwarz mit einem Schätzpreis von 600.000 bis 800.000 Pfund vergleichsweise ein Schnäppchen ist, zählt Wassily Kandinskys „Schwebender Druck“ vom November 1931 zu den Höhepunkten der Auktion. Die Komposition aus organischen Formen ist vom Dessauer Bauhaus geprägt und stammt aus dem Besitz von Rudolf und Leonore Blum (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP). Wie schon in der New Yorker Auktion vom Mai trumpft Christie’s auch diesmal mit Einlieferungen aus renommierten Sammlungen auf. Ein weiterer Vorreiter der Abstraktion befand sich ebenfalls in der Blumschen Sammlung: Piet Mondrian. Während Kandinsky auf seine Art dynamisch und gefühlvoll daherkommt, ging der Niederländer Mondrian rational und streng geometrisch vor. Getreu seiner Prinzipien schuf er ab den 1920er Jahren seine Gemälde mit der charakteristischen Struktur aus einem schwarzen Raster senkrechter und waagerechter Linien, das mit rechtwinkeligen Flächen in Primärfarben sowie weißen Zwischenräumen gefüllt ist. Auch „Composition A, with Double Line and Yellow“ von 1935 gehört dazu (Taxe 5 bis 8 Millionen GBP). Geradezu ein Kontrastprogramm ist das fast zeitgleich entstandene, glamouröse Ölgemälde „Les confidences“ der polnischen Art Déco-Malerin Tamara de Lempicka. Die elegant gekleideten Damen sind ob ihrer Gegenständlichkeit skulptural gemalt, und ihre kubischen Körperformen von harten Schattierungen unterstrichen (Taxe 1,8 bis 2,5 Millionen GBP).

Ernst Ludwig Kirchners „Nacktes Mädchen vor grünem Sofa“ von 1908 demonstriert Matisse’ Einfluss auf den deutschen Expressionismus und ganz besonders auf die Dresdner Brücke. Kirchners Besuch der Fauvistenausstellung in Dresden 1908 brachte ihn dazu, seine Kompositionen mit breitem, grobem Pinselstrich zu überarbeiten. Er behielt den primitiven Ansatz bei, verband diesen jedoch mit den sinnlichen Rundungen des dargestellten Modells und ließ dieses – ähnlich dem Matisse-Gemälde in dieser Auktion – mit dem sie umgebenden Farb-Raum verschmelzen (Taxe 2 bis 3 Millionen GBP). 1910 besuchte Franz Marc eine Ausstellung der von Kandinsky gegründeten Neuen Künstlervereinigung München und war begeistert von deren transzendentem Farbeinsatz und den entmaterialisierten Formen. In der Folge entstand sein „Kinderbild“ von einer orangefarbenen Katze hinter einem blauen Baumstumpf. Ziel seiner „Animalisierung der Kunst“ war es, eine Schwingung der Linien zu erreichen, um das Innere der Tiere in ihrem harmonischen Zusammenhang mit ihrer Umgebung sichtbar zu machen (Taxe 5 bis 7 Millionen GBP). Wie der Marc kommt auch Gabriele Münters „Gelbes Haus mit Schneebäumchen“, gemalt um 1909 vor einem verschneiten Wohnhaus in Murnau, aus dem Nachlass des an Silvester 2013 verstorbenen Herforder Bekleidungsunternehmers und Kunstsammlers Jan Ahlers, der Münter noch persönlich kannte und an ihrem Werk seine Leidenschaft für die Kunst entdeckte (Taxe 300.000 bis 400.000 GBP).

Eines der spannendsten Exponate ist Kurt Schwitters’ „Ja – Was? – Bild“. Auf der Suche nach neuen Materialien und neuen Darstellungsarten entwickelte er diese Collage aus Zeitungsartikeln, Stoffen, Holz, Pappe und Nägeln. Er stellte sie zusammen aus Objekten, die er im Alltag fand, und bearbeitete damit auch die Rückseite der Leinwand ansprechend. Er verstand darin eine Grenzüberschreitung von Alltag zu Kunst, von Skulptur zu Gemälde, und griff 1920 die präsenten Kriegsfolgen auf, indem er zerstörte und zerbrach und alles wieder mit Klebstoff und Nägeln zusammenführte (Taxe 4 bis 6 Millionen GBP). Aus dem früheren Besitz des Neusser Sammlerpaars Viktor und Marianne Langen, die schon im Mai bei Christie’s in New York für gute Umsätze sorgten, stammt zudem „Das Korbbild“ von Schwitters, in dem er 1940 ebenfalls mit Collagetechnik arbeitet, sie aber mit einer amorphen Gipsauflage und dem geflochtenen, inhaltsreichen Korb in die Dreidimensionalität erweitert (Taxe 300.000 bis 400.000 GBP).

Den Langens gehörte ebenfalls noch Alexej von Jawlenskys koloristisch anregendes „Stillleben mit Obstschale“ von etwa 1907 (Taxe 600.000 bis 800.000 GBP) und die gesichtslosen „Deux jeunes filles“ von Max Ernst aus dem Jahr 1926 (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP). Auch Joan Miró greift im dem abstrakten Traumbild „Painting (The Circus Horse)“ von 1925 die Ideen und Zielsetzungen des Surrealismus auf (Taxe 1,4 bis 2 Millionen GBP). Neben zwei weiteren Werken Max Ernsts konnte sich das Ehepaar Langen schließlich noch für Yves Tanguys wesenlose Landschaft „Fin de la rampe“ mit diversen, nicht benennbaren Gegenständen von 1934 begeistern (Taxe 1 bis 1,5 Millionen GBP). Auch die Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp aus Remagen trennt sich von Arps bemaltem Holzrelief „La femme amphore“, die seit 1929 die Aufmerksamkeit auf ihre kleine violette Gestalt im Zentrum des Werkes zieht (Taxe 1,6 bis 2,4 Millionen GBP). Aus einer weiteren, nicht näher genannten deutschen Privatsammlung stammt Emil Noldes farbleuchtendes Blumenstück „Sonnenblumen mit Fuchsschwanz“ von 1937 (Taxe 500.000 bis 700.000 GBP).

Der am meisten hofierte Künstler dieser Auktion ist gleich mit sieben Skulpturen und einem Gemälde vertreten, deren teuersten Stücke aus einer Privatsammlung stammen. Alberto Giacomettis Arbeiten entstanden in den 1940er und 1950er Jahren. Die Figurenkompositionen des Schweizer Bildhauers sind perspektivisch entrückt, manieristisch verzogen und fadendünn. Ein besonderes Meisterwerk ist „La Main“, ein extrem langgestreckter Arm und eine Hand mit dünnen Fingern aus Bronze mit brauner Patina. Letztere sorgt für eine changierende Oberfläche mit zahlreichen Licht- und Farbenspielen. Mit 10 bis 15 Millionen Pfund nimmt „La Main“ die Favoritenrolle der Auktion ein. Auch Platz 2 geht an Giacometti und seine mit goldener Patina überzogene Bronzefigur „Femme de Venise II“ bei 8 bis 12 Millionen Pfund. Sein malerisches Œuvre war anfangs ein kleinerer Teil seines Werks, in den 1950er Jahren trat die Malerei jedoch zunehmend gleichberechtigt neben die Skulptur. Besonders beeindruckend ist das Porträt seiner Frau Annette. „Portrait de femme“ von 1954 zeigt sie als sitzende Gestalt, umhüllt von einer dunklen, gespenstischen Paraphernalie der künstlerischen Wirkungsstätte voller an die Wand gelehnter Leinwände und anderem Zubehör. Linien und Striche imitieren die Struktur des Maluntergrundes (Taxe 3,5 bis 5,5 Millionen GBP).

Das Lieblingssujet des noch heute polarisierenden Malers Balthus waren unterschwellig sexuelle Portraits von Mädchen im heranwachsenden Alter, die sich ihrer Wirkung noch nicht bewusst sind und damit den erwachsenen Betrachter kompromittieren könnten. Auch „Les trois sœurs“ von 1963/64 spielt mit diesen erotischen Abhängigkeiten (Taxe 3 bis 4 Millionen GBP). Offensiver geht da Paul Delvaux bei seinem Monumentalgemälde „Les extravagantes d’Athènes“ von 1969 mit seinen ästhetischen, strahlend weißen Mädchen- und Frauenkörpern ans Werk, die ihre entblößte Scham ebenso stolz dem Betrachter entgegenrecken wie ihre Brüste. Der belgische Surrealist erweckt mit der antikisierenden Architektur, dem mystischen Dekor, dramatischen Lichtquellen und einem alles überziehenden dunklen Nachthimmel eine unheimliche, fast spirituelle Atmosphäre (Taxe 1,8 bis 2,5 Millionen GBP). Joan Mirós „Femme à la voix de rossignol dans la nuit“ von 1971 repräsentiert Mirós künstlerische Vorgehensweise mit den strukturgebenden schwarzen Umrandungen und vereint seine charakteristischen Motive Vögel, Frauen und die Nacht zu einer sinnträchtigen poetischen Komposition: Eine Frau, die das Lied der Nachtigal gestohlen hat, als die Nacht sie umhüllt.

Kontakt:

Christie’s

8 King Street, St. James’s

GB-SW1Y 6QT London

Telefon:+44 (020) 78 39 90 60

Telefax:+44 (020) 78 39 83 26

E-Mail: info@christies.com



20.06.2014

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Viviane Bogumil

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