 |  | Am Stand von Coll & Cortés | |
Mit zwei Exponaten machte die TEFAF schon im Vorhinein Schlagzeilen. Die Galerie Dickinson trumpfte ein paar Tage vor der Eröffnung mit Vincent van Goghs Gemälde „Moulin de la Galette“ auf. Es ist eins von zwei Werken aus der Pariser Serie der Montmartre-Mühlen, die bislang noch nicht in fester Museumshand sind. Seit mehr als zehn Jahren ist kein Schlüsselwerk van Goghs mehr auf den Markt gekommen. Und wenn man bei Dickinsons verkündet, dass der Preis in jeder Währung dieser Welt ein zweistelliger Millionenbetrag ist, dann darf man kräftig spekulieren. Nicht ganz so geheimnisvoll geben sich Littleton & Hennessy. Zwischen 15 und 16 Millionen Euro bewegt sich hier der Preis für einen chinesischen Keramikteller mit weißem Drachen auf tiefblauem Grund aus der Yuan-Dynastie. Das etwa 700 Jahre alte Meisterwerk ist an Marktseltenheit jedenfalls nicht zu übertreffen. Von drei bekannten Stücken dieser Art ist es das einzige in privatem Besitz.
An Millionenobjekten fehlt es der European Fine Art Fair in Maastricht wahrlich nicht. Als Arbeit Jusepe de Riberas stellte sich nach neuesten wissenschaftlichen Forschungen ein entschlossen schauender „Heiliger Jakobus“ heraus, den Bernheimer-Colnaghi mit 1,75 Millionen Euro ausgepreist hat. Für ein gerade entdecktes Frühwerk Guido Renis, das den heiligen Hieronymus zeigt, erwartet die Galerie Canesso 1,3 Millionen Euro. Nur die Moderne stellt solche Preise in den Schatten. Im 25-Millionen-Bereich ist bei Marlborough Gallery Francis Bacons „Study for an Human Body“ angesiedelt, die Galerie Thomas aus München will einen Betrag um 10 Millionen für Franz Marcs Gemälde „Die Angst des Hasen“.
Auch bei den Möbeln ist die Zeit der Bescheidenheit längst vorbei. In der Mitte des Standes von Carlton Hobbs aus den USA steht für 5,9 Millionen US-Dollar ein antikisch dekorierter, klassizistischer Wangentisch. Der Entwurf stammt von Thomas Hope, Englands führendem Designer um 1800. Die Mikromosaikplatte ist in der Werkstatt des berühmtesten römischen Mosaizisten Giacomo Raffaelli hergestellt. Nur ein paar Schritte weiter bietet die Galerie Neuse eine elegante, dezent prachtvolle Konsole von Adam Weisweiler aus der Zeit um 1795 an. Das Möbel orderte einst Kaiserin Joséphine Bonaparte für das Schloss Fontainebleau und kostet heute 1,4 Millionen Euro.
Aber es sind nicht allein die Millionenobjekte, die seit mehr als 25 Jahren Museumskuratoren und hochpotente Sammler aus aller Welt in das abgelegene holländische Städtchen locken. Besuch von vielen Museen hatte bereits Kunstkammerspezialist Georg Laue. Der Münchner Händler hat diesmal eine außergewöhnliche Schau von 41 venezianischen Gläsern und Stücken der sogenannten Façon de Venise aus dem 16. und 17. Jahrhundert zusammengestellt. Die Preise liegen zwischen 5.000 Euro und 150.000 Euro. Zehn Jahre hat er die dünnwandigen, zarten Gläser mit den feinen weißen, eingeschmolzenen Fäden zusammengetragen. Einen großen Teller mit feinmaschigem Netzdekor erwarb für rund 50.000 Euro das Minneapolis Institute of Arts.
Die TEFAF ist ein Parcours für höchste Ansprüche, auch wenn die Power der Auktionshäuser dem Handel kräftig ins Gesicht bläst und zahlreiche Werke, die man aus Versteigerungen der letzen Monate kennt, hier für ein Wiedersehen sorgen, wie etwa die ausdrucksvolle, frühbarocke Elfenbeinskulptur des „Heiligen Sebastian“ bei Julius Böhler. Anfang letzen Jahres wurde sie für 194.000 Pfund bei Sotheby’s in London aus der Sammlung Gustav Raus ersteigert – als flämische Arbeit. Nun hat sie sich als ein Werk Frans van Bossuits entpuppt, einem der kühnsten Bildschnitzer des 17. Jahrhunderts und verlangt 1,8 Millionen Euro. Ein anderes Beispiel ist Ferdinand Georg Waldmüllers anheimelndes Kerzenbild „Junger Mann mit Laterne“ von circa 1820. Die Münchner Kunsthandlung Daxer & Marschall hatte es für 43.000 Pfund bei Bonhams gekauft – als Zuschreibung an Waldmüller. Inzwischen hat man herausgefunden, dass es sich um das verschollen geglaubte, früheste Selbstporträt Waldmüllers handelt. Der Physiognomiespezialist Martin Braun, der auch schon Mozartporträts analysiert hat, bestätigte die Authentizität des Dargestellten. Damit ist das Gemälde längst ein anderes Kunstwerk geworden und natürlich auch der Preis: 360.000 Euro.
Einen Geschmackswandel kann man bei den Antiken registrieren. Das Statuarische, zur Stilisierung tendierende der alten ägyptischen Kunst scheint Sammler momentan besonders zu reizen. Daniel Katz aus London, eigentlich spezialisiert auf europäische Skulpturen ab dem Mittelalter, bewegt sich mit 7,5 Millionen Euro für den weich geformten Torso des oberägyptischen Gouverneurs Psamtik aus der Zeit um 350 v. Chr. preislich im Spitzensegment. Bei Sycomore Ancient Art lockt eine 5.000 Jahre alte, ornametnlose, zylindrische Basalt-Vase mit samtener Oberfläche zum Preis von 300.000 Euro an den Stand. Und auch Jean-David Cahns Highlight ist aus dem Vorderen Orient: ein anatomisch präziser, wie eine schematisierte Kampfmaschine gestalteter Jünglingstorso aus Sandstein des 4. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. für 480.000 Franken.
Das Beste verkauft sich bekanntlich am schnellsten, heißt es allgemein. Ob das auch auf das unermessliche TEFAF-Angebot zutrifft, ist einfach nicht zu sagen. Bei Rossi & Rossi etwa erwarb ein amerikanischer Sammler eine äußerst feine buddhistische Bronze aus der Mongolei des 17. oder 18. Jahrhunderts im sogenannten Zanabazar-Stil. Die Londoner Weiss Gallery musste einen roten Punkt an eine hauchzart umschleierte, aber den ganzen Körper offenbarende „Lukrezia“ von Lucas Cranach d.J. anbringen. Zwei Millionen Euro hatte man dafür veranschlagt. In der Design-Sektion, die mit Klassikern wie Finn Juhls „Chieftain Chair“ von 1949 bei Dansk Møbelkunst für 160.000 Euro oder den legendären „Chandigarh“-Möbeln von Pierre Jeanneret ab 12.000 Euro bei der Pariser Galerie Downtown die Antiquitäten der Zukunft präsentieren, fand bei Ulrich Fiedler ein Möbel Carlo Bugattis für 350.000 Euro sofort einen neuen Besitzer. Der Stuhl war Bugattis Schaustück für die internationale Ausstellung angewandter Kunst in Turin im Jahr 1902. Die Verkäufe der ersten Tage schmälerten das Angebot der 265 Aussteller nicht wirklich.
Die TEFAF hat bis zum 22. März täglich von 11 bis 19 Uhr, am 23. März von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis entspricht der Exklusivität der Veranstaltung: eine Person zahlt 55 Euro inklusive Katalog, zwei Personen sind für 90 Euro dabei, Jugendliche von 12 bis 18 Jahren zahlen 20 Euro ohne Katalog.
Maastricht Exhibition & Congress Centre
Forum 100
NL-6229 GV Maastricht
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