Bei Günther Uecker, soviel steht nach Lempertz’ Zeitgenossenauktion fest, müssen die Preise für die Zukunft noch einmal nach oben geschraubt werden. Drei bedeutende frühe Nagelungen hatte das Auktionshaus von dem Zero-Künstler im Programm. Sie wurden nicht nur alle übernommen, sondern konnten ihren Wert auch noch deutlich erhöhen – bis hinauf auf den neuen Rekordpreis von 285.000 Euro! Nur 100.000 Euro waren eigentlich für das wogende Feld aus dem Jahr 1964 veranschlagt, das bei längerem Hinsehen nicht nur den leicht über die Nägel streichenden Wind zu spüren vortäuscht, sondern auch Herzformationen preisgibt. Davon ließ sich ein deutscher Kunsthändler gefangennehmen. 135.000 Euro waren für einen demgegenüber streng spiralförmigen „Zero Garden“ aus dem Jahr 1966 nötig (Taxe 110.000 bis 120.000 EUR). Und das älteste Werk des Trios, das teils rotgelb unterlegte „Phänomen eines Regenbogens“ von 1963, mit dem Uecker damals den ersten Preis auf der Biennale von San Marino errang, ging für 88.000 Euro ebenfalls in dieselbe Schweizer Sammlung. Zwar konnte Lempertz den Auktionsrekord nur für drei Tage halten, denn dann setzte bei Sotheby’s in Paris ebenfalls der Kunsthandel mit 370.000 Euro für Ueckers „Energetic bilds feld“ von 1965 noch eins drauf, doch partizipiert das Kölner Auktionshaus an der regen internationalen Nachfrage nach Zero-Kunst.
Zero-Kollege Heinz Mack fand am 5. Dezember in Köln ebenfalls viele Freunde. 19.000 Euro spielte ein flirrendes Aluminiumrelief aus dem Jahr 1960 ein (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR), für eine ähnliche formalästhetische serielle Reihung in Öl auf Leinwand von 1957 musste ein belgischer Händler dagegen schon 45.000 Euro berappen (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Ein kinetisches Spiegelobjekt von Adolf Luther konnte kurz zuvor schon 19.000 Euro auf sich vereinen. Und auch die italiensche Kunst suchte in den 1960er Jahren nach verwandten, neuen Bildkonzepten, etwa Enrico Castellani, der seine monochromen Leinwände durch hinterlegte Erhöhungen zu Reliefen erweiterte. Zwei dieser „Superficie“-Bilder in Blau und Schwarz von 1960 und 1997 erstritt sich ein österreichischer Bieter jeweils an der unteren Taxgrenze um 160.000 Euro und 120.000 Euro. Agostino Bonalumi gehört ebenfalls in diese Ecke. Seine kleine quadratische schwarze Leinwand, die sich kreisrund vom Grund erhebt und 27 Mal aufgelegt wurde, verbesserte sich von 2.000 Euro auf 9.000 Euro. Alighiero Boetti hat sich in seinen bunten Stickbildern ganz dem verbalen Ausdruck verschrieben. 1988 ließ er die nun 17.000 Euro teuere Weisheit „Le infinite possibilità di esistere“ im Quadrat von sich (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR).
Fest steht nach dieser Auktion auch, dass hochwertige zeitgenössische Kunst nach wie vor ein gesuchter Posten ist, gesuchter etwa als die moderne Kunst bei Lempertz am selben Tag. Gegenüber dieser lag die losbezogene Zuschlagsquote bei der Gegenwartskunst mit rund 56 Prozent um gut zehn Prozent höher, wenn auch die einzelnen Posten nicht derartige Höhen erklommen wie dort etwa Werke von Liebermann oder Jawlensky. Uecker war der Sieger der Zeitgenossenauktion, kurz vorher hatte Gerhard Richters eher kleinformatiges „Abstraktes Bild“ mit der Nummer 889-6 von 2004 diesen Platz eingenommen. 250.000 Euro blieben allerdings mindestens 30.000 Euro unterhalb der Erwartungen. Karl Otto Götz’ großzügig gewischte Mischtechnik „Ild-Feit“ aus dem Jahr 1957 schaffte taxgerechte 70.000 Euro. Seinem großen abstrakten Kollegen der Nachkriegszeit, Ernst Wilhelm Nay, kamen bescheidenere Ansprüche zugute: Ein schönes, charakteristisches Ölgemälde von 1951 verdoppelte seine untere Taxe auf 59.000 Euro. Und auch Emil Schumacher, einer der prominentesten Vertreter des Informel und bei Lempertz oft mit hochkarätigen Gaben vertreten, wurde wieder mit 190.000 Euro für eine große Arbeit namens „Tanguin“ von 1988 geehrt (Taxe 130.000 bis 150.000 EUR).
Meister anderer Länder hielten sich auf dieser überwiegend von deutschen Künstlern bestimmten Auktion etwas bedeckt. 70.000 Euro für Antoni Tàpies’ „Large India ink“ von 1964 rangierten hier ganz oben (Taxe 70.000 EUR), wurden jedoch übertroffen von einer bildartigen, kinetischen „Yellow Telesculpture“ aus gelber Leinwand mit schwarzen Metallmagneten des Griechen Takis, alias Panayiotis Vassilakis, von 1977, für die französischer Handel 78.000 Euro bewilligte. Der 1925 geborene Künstler, heute fast vergessen, gehörte in den 1960er und 1970er Jahren zu den wichtigsten Objektkünstlern und war mehrmals Documenta-Teilnehmer (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Jeweils 48.000 Euro gab es für eine gezeichnete und collagierte Studie von Christos „Wrapped Reichstag“ in Berlin von 1977 und Victor Vasarelys geometrisches Spiel „Tridim – HH – 2“ von 1968 sowie 62.000 Euro für Robert Rauschenbergs Studienblatt mit verschiedenen Transferzeichnungen unter dem Gesamttitel „Shade“ aus demselben Jahr (Taxen alle zwischen 40.000 und 50.000 EUR).
Eine der größten Steigerungen des Tages legte Konrad Klaphecks mittelgroßes Ölbild „Die Erben“ aus dem Jahr 1961 hin. Der, was seine Produktion betrifft, sehr bedachte Künstler macht sich selten, dann aber umso heftiger auf dem Markt geltend. 50.000 bis 60.000 Euro standen auf dem Etikett der liegenden, mit zwei transparenten, knopfartigen Gebilden versehenen 1 vor braunem Grund. Im Kampf um das heißbegehrte Stück behielt deutscher Handel aber erst bei 165.000 Euro die Oberhand. Eine prozentual höhere Quote legte dann noch Friedrich Mecksepers distanziertes antikisches Stillleben mit Labyrinth, Säulenstumpf, Kugel und Uhr hin. Mit 3.000 bis 4.000 Euro angesetzt, verabschiedete es sich erst bei 21.000 Euro. Taxgerecht kam Willi Sittes Moralbild mit drei weiblichen Akten und einem lugenden Gerippe unter der Titel „Paris in tot“ von 1991 mit 16.000 Euro ans Ziel, und Rob Scholtes Monroe-Persiflage „Blondes prefer gentlemen“ von 1988 konnte sich bei 11.000 Euro behaupten (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Von vier Gemälden Rainer Fettings wurde lediglich die monumentale Nahaufnahme eine tiefblau blühenden „Iris“ von 1989 für 32.000 Euro übernommen (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Jonathan Meese, dessen zahlreiche Offerten in diesem Auktionsherbst nicht unbedingt heiß ersehnt waren, schaffte bei Lempertz immerhin 29.000 Euro für „Die Staatsbiologin ‚Darling’“ von 2004 (Taxe 30.000 EUR). Mit 26.000 Euro lag Wilhelm Sasnals Pflanzenadaption „Tree Parasite with Balls“ von 2002 ebenfalls ein wenig unter der Schätzung von mindestens 28.000 Euro. Heimo Zobernig bevorzugt wieder die Ungegenständlichkeit und ließ seine schachbrettartige geometrische Abstraktion bei 19.000 Euro ziehen (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR). Dass mit Joseph Beuys zwischendurch immer ein überraschend gutes Geschäft zu machen ist, bewies seine belehrende Serigrafie „Kunst = Kapital“ in Rot auf einer Schiefertafel von 1980. Von 3.000 bis 4.000 Euro steigerte sich das in fünfzig Exemplaren aufgelegte Werk auf 20.000 Euro.
Dass allerdings manche allzu ambitionierten Ansprüche leicht abgestraft werden, war bei dieser Auktion ebenfalls zu spüren. So technisch brillant Norbert Biskys Kunst sein mag, 40.000 Euro sind auch für einen riesigen Ölschinken wie „Rollschicht – Künstler bei der Arbeit“ von 2006 einfach zuviel – zu gesucht wirkt vielleicht der Motivreichtum, zu anbiedernd in seiner konstruierten Jungmännlichkeit. Auch der Preiskampf um Jörg Immendorff geht derzeit oft zulasten des Künstlers ebenso wie der Verkäufer. Bei 80.000 bis 100.000 Euro für seinen „Sieger“ – die lediglich in sechs Exemplaren nachweisbare Bronze aus dem Jahr 1989 war in diesem Herbst in zwei deutschen Auktionshäusern zu haben – und 60.000 bis 70.000 Euro für „Vater und Sohn (Christian und Otto)“ in Affengestalt von 2003 wollten die Bieter nicht mitmachen.
Dabei hatten die Skulpturen eigentlich solide mit Stephan Balkenhols Bronze „Mann auf Hirschkuh“ von 2000 mit erwarteten 18.000 Euro und zwei Kühnen auf einer hölzernen Wandplastik für 30.000 Euro begonnen (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR). Auch die 29.000 Euro für Erich Hausers schneidender Edelstahlskulptur „8/88“, die einen stehenden Menschen mit ausgebreiteten Armen abstrahiert, waren ein erfreuliches Ergebnis (Taxe 25.000 EUR). Bernard Schultzes große wuchernde Gartenfigur „Migof“ aus Bronze von 1992 platzierte sich mit 21.000 Euro im Taxrahmen, während ein kleinerer schwebender blauer „Migof“ Gips, Textilien und Papier über Maschendraht von 1969 auf 19.000 Euro kletterte (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Doch unveräußert blieben zudem Alfred Hrdlickas „Haarmann-Fries“ von 1966/67 und Jesús Rafael Sotos „Volumen virtual polícromo“ von 1984 (Taxen zwischen 70.000 und 80.000 EUR). Auch mit dem Außenseiterhauptlos hatte Lempertz keinen Erfolg: Für Ilya Kabakovs viel Raum beanspruchende Installation „Meine Heimat. Die Fliegen“ von 1991 fand sich kein Interessent – jedenfalls nicht um 300.000 bis 400.000 Euro. Den materiellen und vor allem humoristischen Ausgleich leistete Sigmar Polke: Sein „Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann“, 1969 in insgesamt dreißig Exemplaren auf den Markt gebracht, erfreute das Publikum derart, dass es sich auf hohe 74.000 Euro hochschaukelte (Taxe 28.000 bis 32.000 EUR).
Die Werke junger Fotokünstler hatte Lempertz wieder in seine Auktion der zeitgenössischen Kunst integriert. Auch hier war die Nachfrage unterschiedlich. Manch hoch Taxiertes, wie Boris Beckers Innenraum des Marineehrenmals „Laboe“ (Taxe 5.000 bis 6.000 EUR) oder Hiroshi Sugimotos unscharfe Aufnahme der Kolonnaden des „E.U.R. Museo della Civiltà Romana“ (Taxe 13.000 bis 15.000 EUR), blieben liegen. Spitzenreiter wurde daher Bernd und Hilla Bechers Diptychon von Produktionsanlagen der chemischen Fabrik in Wesseling bei Köln mit 13.000 Euro (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR).
Bei 10.000 Euro folgte Marie-Jo Lafontaines mehrteilige Fotoarbeit „Hommage à Lotte Jacobi – Die Schönheit kein Zufall“ mit einem Portrait und drei monochromen Farbtafeln von 1988 (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR), bei 9.000 Euro Wolfgang Tillmans’ lustige Hund-Mensch-Verschmelzung „Michael & Otto“ von 1998 (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR). Jürgen Klaukes fast schon abstrakter „Sehnsuchtsbefall“ aus der Serie „Desaströses Ich“ von 1996/97 ging bei 7.000 Euro in neue Hände über (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Lediglich zwei fast identische Vogelaufnahmen von Christopher Williams waren umworben. Sein „Iraq“ von 1990 sprang auf 5.000 Euro und „Morocco“ aus demselben Jahr auf 3.500 Euro (Taxe je 2.500 EUR).
Die Preise verstehen sich als Zuschläge ohne das Aufgeld. |