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Werkschau zu Dieter Krieg im Kunstmuseum Stuttgart

Vehemente Präsenz grotesker Dinge



Fast erschlagen kommt sich der Besucher vor von der immensen kraftstrotzenden Wucht großformatiger Gemälde Dieter Kriegs. In hellen, ungewöhnlich getönten Zwischenfarben, aufgetragen mit breitem Pinsel und ausholenden, spontanen wie schnellen Gesten begegnet man recht banalen Dingen. In den derben, rohen, fast überquellend dicken Farbschichten entdeckt der Betrachter desto mehr, je weiter er Abstand hält: Eimer, Wannen, Teller, Schallplatten, Spazierstöcke, Tannebäume, Hosen, Spiegeleier, Seife, Stühle, Matratzen, Fischköpfe, Koteletts, Kanapees, Salatköpfe, Blütenzweige. Es sieht aus wie beim Sperrmüll oder einer Obdachlosenkommune am Stadtrand.


Der ordinäre, absurde Impetus, entladen in scheinbar unangemessenen Bedeutungssteigerungen im Medium der „Hochkunst“, mag dazu geführt haben, dass trotz aller entlockbaren Sinnlichkeit, Schärfe oder nahezu abstrakten Komik Dieter Krieg abseits anderer renommierter deutscher Malerpersönlichkeiten wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Jörg Immendorff oder Markus Lüpertz fast verschwunden ist. Jetzt gibt die erste museale Einzelausstellung nach dem allzu frühen Tod des Künstlers einen rund einhundert Arbeiten umfassenden Überblick von ganz frühen bis zu späten Werken des seit den 1960er Jahren wirkenden Vertreters der Neuen Figuration. Im gesamten Frontkubus des Kunstmuseums Stuttgart ordnen sich die Arbeiten weniger chronologisch als thematisch mit teils überraschenden, die Vielschichtigkeit betonenden Korrespondenzen.

Der 1937 in Lindau am Bodensee geborene Dieter Krieg studiert zwischen 1958 und 1962 an der Kunstakademie Karlsruhe bei HAP Grieshaber und Herbert Kitzel. Mag sein, dass die Grieshaber-Schule den Anstoß zur Konkretion des Bildbegriffs gegeben hat. In den 1960er Jahren beginnt Krieg seinen Weg mit wohl eher existentiell geschuldeten Anlehnungen an den Manierismus sowie einer vielmehr gequälten surrealistischen Anmutung. Francis Bacon vor Augen erprobt der Künstler in diversen Monstern neue Figurationen. Die surreale Fragmentierung des menschlichen Körpers in den Gemälden „Händchen mit Tasse“ und „Figur“ aus dem Jahr 1966 sind charakteristisch für diese Zeit. Die „Malsch Wannen“ des Jahres 1970 schließen sich an. Graue, reduzierte Gemälde markieren die ersten seriellen Folgen. In die Vertikale gekippte, Format füllende Badewannen wechseln bedingt durch ihre illusionistische Malweise zwischen Flächigkeit und Tiefenraum. Die Bilder wirken noch keineswegs so satt und dynamisch wie jene in den 1980er Jahren.

In die siebziger Jahre, Epoche der Minimal und Concept Art, startet Dieter Krieg mit subtilen grauen, minimalistischen Monochromien. Wannen, Leitern, Gestänge, Käfige als Bildobjekte analysieren das Verhältnis zwischen Gegenständlichem und Illusionistischem in Malerei und malerischen Raumobjekten. Seit 1972 entstehen auch Schriftbilder. Kein Wunder, dass den leidenschaftlichen Dauerleser Krieg Literatur stark anzieht. Nach dem Vorbild von Joseph Beuys oder Antoni Tàpies nimmt er Schrift in Worten und Begriffen als Malgegenstand auf und setzt neben sinnlichen auch mentale Impulse.

Als Aufseher in der Baden-Badener Kunsthalle 1966 liest er unentwegt Romane Samuel Becketts. Seine Fiktionen über den Tod finden in Kriegs Bildern ihre bildlichen Analogien: Rohes Fleisch, brutal wirkende Gegenstände, Kreuze dokumentieren die Schnittmengen ebenso wie das ungemein Bruchstückhafte. Eine illustrative Bedeutung kommt der wachsenden Schriftverwertung allerdings nicht zu; sie eröffnet ein anderes, widersprüchliches, semantisches Feld in einer Balance zwischen banaler Offensichtlichkeit und verborgenem Sinn. Ins Jahr 1976 datiert auch eine spektakuläre Tonbandaktion mit dem Titel „Allen Malern herzlicher Dank“. In 147 Stunden wurden alle Namen des 36bändigen Thieme-Becker-Künstlerlexikons verlesen und auf 40 Tonbändern besprochen, in die der Ausstellungsgast hineinhören kann.

Im obersten Geschoss des Ausstellungskubus verrät das fünf Meter breite Monumentalbild „Lügen über Bilder“ nebst zahlreichen originalen Buchausgaben die Nähe zur konzeptionellen Kunst. Doch die Malerei siegt. Auf der venezianischen Biennale von 1978 lässt Klaus Gallwitz den deutschen Pavillon mit Arbeiten von Dieter Krieg und Ulrich Rückriem bespielen. Es ist das Ende von Kriegs stillen, grauen Bildern. Die damals an die Wand getackerten Figurenmalereien demonstrieren auch in Stuttgart den Neuanfang: Stürzende oder schwimmende Menschen im Wildwasser mit Flößen sind mit Gegenständen wie Eimern, Fritten oder leuchtenden Taschenlampen zu einem irrealen Chaos verbunden. Krieg überrascht mit rauschhafter, überreizter Malerei in großen Formaten sowie gedämpfter Buntfarbigkeit.

Ins Folgejahr datiert das titelgebende Gemälde „Fritten und Brillanten“. Es demonstriert die Doppelschichtigkeit von realistischer Darstellung und allegoriesierender Metapher. Im Ausformulieren ikonografischer Eigenschaften werden Fritten und Brillanten zu Objekten malerischer Kuriositäten, die mehr inspirieren als das ungeheuer suggestivkräftige Bild zu zeigen vermag. Abstoßend-diffuses und reizvoll Konkretes liegen direkt beieinander. Ähnlich wie bei der Pop Art bildet Krieg vielsagende Fundstücke ab, die zugleich banale Zufälligkeiten sind. In der Monumentalisierung meldet Krieg seine Zweifel an der Malerei an. Über die Erfindung von Bildgegenständen parallel zur wahrgenommenen Realität will Krieg der Malerei zur neuen Präsenz verhelfen. Das Sujet scheint dabei eher sekundär. Es dient als fiktiver Vorwand, um üppige Malerei zu entfalten, Unübersehbarkeit zu gewinnen. Die Bilder sind weder symbolisch noch ikonografisch, sondern zweckdienliche Thesen über Malerei, ähnlich wie Samuel Becketts Suche nach Sinnhaftigkeit in fragmentarischen Erzählungen.

So weisen die Banalitäten der Themen auf die Malerei selber hin, deren Objekte keine Bedeutungsträger sind, sondern der Suche nach dem Wesen der Malerei geschuldet sind. Das darauf fußende ästhetische Gewicht entfaltet Dieter Krieg jedoch jenseits des Marktes. Kommerzielles interessierte ihn nie. Nach Lehraufträgen an der Karlsruher Akademie und der Frankfurter Städelschule arbeitete er seit 1978 als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, bis ihn der Tod an seinem Wohn- und Atelierort Quadrath-Ichendorf bei Köln am 26. November 2005 aus dem Leben riss.

Immer wieder exerziert Dieter Krieg das Konkurrenzverhältnis von Realität und Malerei durch, so sehr beschäftigen ihn die formalen Probleme der Erscheinungsformen. Alle seine Bilder fotografiert er und übermalt sie anschließend, um sich über die gestalterische Fortsetzung klar zu werden. So entstehen Serien. Fünf Werke seiner wohl bedeutungsvollsten sind ebenfalls in Stuttgart ausgestellt, nämlich die der grünen, an einer Stange hängenden Vorhänge aus dem Jahr 1994. Stoffbahnen, die abdecken, verhüllen, etwas Geheimes oder Rituelles den Blicken entziehen, erscheinen durchgängig in seinem Œuvre. Die verheißungsvollen vor- und zurückziehbaren Stoffe sind mit der Oberfläche der Malerei sinnlich kongruent. Hinter dem Vorhang ist jedoch nichts, nur Malerei und Arbeitsspuren. Der Mensch selber fehlt in Kriegs Bildern; wie bei Beckett weisen lediglich Gegenstände der Wohnlichkeit auf ihn hin. Im Grund bedeutet dies eine Auseinandersetzung mit dem Leben. Wie im Leben prägend sind Gemälde Kriegs Gesten der Behauptung; es geht bei ihnen um alles oder nichts, um die Existenz und den Tod.

Die Ausstellung „Dieter Krieg. Fritten und Brillanten“ ist noch bis zum 17. August im Kunstmuseum Stuttgart zu besichtigen. Geöffnet ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und freitags bis 21 Uhr. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 6,5 Euro. Zur Ausstellung ist ein umgangreicher Katalog erschienen, der an der Museumskasse 29 Euro kostet.

Kontakt:

Kunstmuseum Stuttgart

Kleiner Schlossplatz 1

DE-70173 Stuttgart

Telefax:+49 (0711) 216 196 15

Telefon:+49 (0711) 216 196 00

E-Mail: info@kunstmuseum-stuttgart.de

Startseite: www.kunstmuseum-stuttgart.de



16.07.2008

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

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