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Marktberichte

Aktuellzum Archiv:Auktions-Vorbericht

Zeitgenössische Kunst bei Ketterer in Berlin

Akkordeonspieler als Star



Gerhard Richter,  Abstraktes Bild

Gerhard Richter, Abstraktes Bild

Nun schon zum drittenmal zieht das Auktionshaus Ketterer im Herbst von München nach Berlin, ist dort Gast in der Dresdner Bank am Pariser Platz und versteigert unter dem Titel „Perspective 45/00 – Klassiker der Gegenwart“ Kunst ab 1945.


Für die diesjährige Auktion am 29. September, die parallel zum „Kunstherbst Berlin“ und vor allem zum „art forum berlin“ gelegt wurde und damit das Potential an Freunden Zeitgenössischer Kunst abgreift, hat Ketterer insgesamt 198 Positionen in die Hauptstadt transportiert, davon 64 im Teil I mit den höherpreisigen Objekten und 134 im Teil II mit der Kunst niederen und mittleren Preisbereich.

1999 konnte Ketterer insgesamt noch 723 Lose aufweisen, 90 in Teil I und 633 in Teil II. Zahlenmäßig ging also der Teil I um knapp 30 Prozent und Teil II sogar um knapp 80 Prozent zurück. Zwölf Kunstwerke waren 1999 mit einem mittleren Schätzpreis über 50.000 Mark ausgezeichnet. In diesem Jahr sind es zehn, also unwesentlich weniger. Der durchschnittliche Schätzpreis aller Objekte in Teil I entspricht mit 44.000 Mark etwa dem Wert des Vorjahrs. Hier wird weder eine qualitative Veränderung der angebotenen Kunstwerken nach oben oder nach unter deutlich. Lediglich das Spitzenlos der diesjährigen Auktion, Jean-Michel Basquiats „Hohner“ von 1985, übertrifft mit seiner Taxe von 350.000 bis 450.000 Mark den Wert des Starloses im letzten Jahr: Asger Jorns „Ossian“ wurde bei einer Schätzung von 260.000 bis 290.000 Mark für 250.000 Mark zugeschlagen.

Im letzten Jahr konnten nur 170 der offerierten 723 Lose verauktioniert werden, was einer stückmäßigen Verkaufsquote von weniger als 24 Prozent entspricht. Die letzte Auktion spielte bei den 170 verkauften Losen eine Zuschlagssumme von 1,9 Millionen Mark ein. Dies blieb weit hinter den Erwartungen des Auktionshauses zurück. Bei ähnlich schlechter Verkaufsquote in diesem Jahr würden nur rund 50 Objekte einen Käufer finden. Bei der Annahme eines proportionalen Verlaufs würde die Versteigerung in diesem Jahr lediglich 550.000 Mark Zuschlagssumme erbringen. Nimmt man nun 30 Prozent an Auf- und Abgeld an, also die Vermittlungsgebühren, die das Auktionshaus vom Verkäufer und Käufer verlangt, blieben für Ketterer nur 165.000 Mark übrig.

Diese düstere Prognose tritt aber nur bei einem Nichtverkauf des Bildes von Basquiat ein. Findet der Basquiat einen Liebhaber, wären hier allein schon rund 400.000 Mark umgesetzt. Gelingt der Verkauf aber nicht, wird es für Ketterer eine kalte Dusche geben. Zu wünschen ist es dem Münchner Haus nicht, bemüht es sich doch in der deutschen Hauptstadt um die Etablierung einer Verkaufsplattform für die Zeitgenössische Kunst.

Basquiat setzte zentral in sein großformatiges, 218 x 173 cm messendes Bild „Hohner“ einen von afrikanischen Masken abgeleiteten Kopf, der sich mit seinen Zähnen aggressiv dem Betrachter zuwendet. Darüber steht auf der sonst fast weißen Leinwand der Titel des Bildes „Hohner“ bei einem Akkordeonspieler mit roter Jacke und blauer Hose in Basquiats typischen Zeichenstil. Die Taxe von 350.000 bis 450.000 Mark ist im Vergleich zu international erzielten Auktionsresultaten nicht zu hoch gegriffen. Es bleibt jedoch fraglich, ob sich dieses Bild in Deutschland absetzen lässt. London oder New York sind sonst die günstigeren Orte, um einen „Basquiat“ zu verkaufen.

1999 blieb ein Ölbild von Basquiat, das auf 30.000 Mark geschätzt wurde, bei Ketterer in Berlin unverkauft. Es ist aber kein Vergleichsobjekt, da es eine andere Größe und vor allem künstlerische Qualität aufweist. Der letzte Basquiat von ähnlicher Bedeutung wie „Hohner“ wurde im Juni 1999 bei Hauswedell & Nolte in Hamburg für 280.000 Mark angeboten und erst im Nachverkauf für 226.000 Mark zugeschlagen. Interessant ist der Werdegang des Gemäldes: Es wurde zunächst 1991 bei Sotheby’s in New York für 71.500 Dollar versteigert - nach dem Kunstmarktcrash ein günstiger Einstiegspreis. Im Oktober 1999 wurde es bei einer Auktion in Frankreich für stolze 1,62 Millionen Francs, knapp 500.000 Mark, zugeschlagen. Was den Besitzer nun zu einem Verkauf weit unter der von ihm berappten halben Millionen Mark veranlasste, bleibt im Dunkeln.

Basquiats Freund und Förderer Andy Warhol ist mit fünf Arbeiten vertreten. Von 1970 stammt die Farbserigrafie „Flowers“ (Taxe 14.000 bis 16.000 DM) und von 1964 die Farboffsetlithografie „Liz“ (Taxe 12.000 bis 14.000 DM). Deutschlands fußballbegeisterte Kunstliebhaber dürften sich über die Portraits von „Franz Beckenbauer“ und „Harald Schumacher“ freuen, mit denen Warhol die Sportler unter die Reihe seiner schönen und erfolgreichen Zeitgenossen stellt (Taxe je 34.000 bis 38.000 DM). Das teuerste Los des Hauptvertreters der amerikanischen Pop Art ist mit 60.000 bis 80.000 Mark sein Selbstportrait aus dem Jahr 1967.

Zu Warhol und Basquiat gesellen sich in Teil I noch die Amerikaner Mark Tobey mit der „Komposition in Blau und Rotbraun“ (Taxe 10.000 bis 12.000 DM), Sam Francis mit „Composition“ von 1967 (Taxe 25.000 bis 28.000 DM) und Mel Ramos mit sechs Lichtdrucken seiner freizügig abgebildeten „girls“ (Taxe zusammen 12.000 bis 15.000 DM).

Neben einigen Franzosen - so vor allem Serge Poliakoff mit seiner „Composition Jaune“ (Taxe 40.000 bis 50.000 DM) und „Composition Bleue“ (Taxe 150.000 bis 180.000 DM) - wird Teil I der Auktion von deutschen Künstler bestimmt. Einen Scherpunkt bildet wie gewohnt die Kunst des Informel. Im Angebot befinden sich Emil Schumachers blau-braun-graue Arbeit in Öl und Sand (Taxe 70.000 bis 90.000 DM), Karl Otto Götz’ „Skom“ für 34.000 bis 38.000 Mark, Hannah Höchs mit Linien strukturierte „Gefahr droht“ (Taxe 25.000 bis 28.000 DM), Theodor Werners, von Kalligrafie beeinflusstes Ölgemälde „Auf gelbem Grund“ (Taxe 38.000 bis 42.000 DM), Fritz Winters dunkles Bild „Zwischen Rot und Schwarz“ (Taxe 35.000 bis 38.000 DM) und die schwarz-grün-braune Komposition „Nr. 53“ aus dem Jahr 1960 von Peter Brüning für 80.000 bis 100.000 Mark.

Zwei weitere Lose durchbrechen die 100.000-Grenze: Gerhard Richters „Abstraktes Bild“ mit vertikaler Gliederung von 1987 ist auf 120.000 bis 150.000 Mark angesetzt und für den 14-teiligen Zyklus „Ohne Titel (Y/2), von denen A.R. Penck 1977 unter dem Pseudonym „Y“ sechs Stück produzierte, soll der Liebhaber 240.000 bis 280.000 Mark bezahlen.

Höhere Preise werden außerdem für

  • Victor Vasarelys „HAT-LEG“ (Taxe 44.000 bis 48.000 DM),
  • Rupprecht Geigers „Objektziffer 0 (Metapher Zahl 0)“ (Taxe 75.000 bis 85.000 DM),
  • C.O. Paeffgens „Drei im Urlaub“ und „Liebespaar und Mann im Boot“ (Taxe je 38.000 bis 44.000 DM),
  • Stephan Balkenhols „Männerporträt“ (Taxe 50.000 bis 70.000 DM),
  • Jörg Immendorffs „Konferenz über Plastik oder Anarchie in der Galerie“ (Taxe 40.000 bis 45.000 DM),
  • Asger Jorns „Disintegrated Love Story“ (Taxe 40.000 bis 60.000 DM),
  • Roberto Mattas “Surréalisme” (Taxe 30.000 bis 40.000 DM),
  • Markus Lüpertz’ Gemälde nach Corot (Taxen zwischen 34.000 bis 55.000 DM) und
  • Günter Fruhtrunks Gemälde mit diagonalen, farbigen Streifen (Taxe 40.000 bis 50.000 DM) veranschlagt.

    Am Ende von Teil I sind noch vier Fotografien der Künstler Thomas Struth, Nan Goldin und Hiroshi Sugimoto aufgenommen, was den Wandel im Verständnis der Fotografie hin zur Kunstform und zum hochpreisigen Kunstobjekt zeigt.

    Die Vorbesichtigung geht bis zum 27. September täglich von 12 bis 19 Uhr, am 28. September von 12 bis 15 Uhr. Die Auktion beginnt am 29. September um 14:30 Uhr mit Teil II und wird im Anschluss daran mit Teil I fortgeführt.

    Ketterer Kunst Berlin
    Kurfürstendamm 61
    D-10707 Berlin

    Telefon: +49 (30) 88 55 12 88
    Telefax: +49 (30) 88 55 12 87

    Auktion
    Dresdner Bank
    Pariser Straße 6
    D-10877 Berlin



  • 27.09.2000

    Quelle/Autor:Von Sascha Janisch und Ulrich Raphael Firsching

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