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Carl Spitzweg, Kanonier (Schildwache an Kanone, strickend), um 1846

Carl Spitzweg, Kanonier (Schildwache an Kanone, strickend), um 1846

Öl auf Leinwand. 39 x 31 cm. Bezeichnet unten rechts: Flacher Rhombus mit großgeschwungenen S.

Weitere Details:


Wenige Werke Carl Spitzwegs sind derart hintergründig, vielschichtig und dabei von einer bildlichen Prägnanz wie das Bild des strickenden Kanoniers, das um 1846 entstanden ist und zurecht als ein Meisterwerk des Künstlers gilt. Der Soldat, neben einer imposanten Kanone stehend, blickt in die Ferne, die Rechte erhoben, um seine Augen vor der Sonne zu schirmen. In der Ferne sehen wir, was seine Aufmerksamkeit erregt: Rauchwolken, die weit in der Ferne in den Himmel steigen. Der Kanonier, dies wird bald klar, ist keine ernst zu nehmende Figur, denn mit seiner Linken hält er das Strickzeug, mit dem er gerade noch beschäftigt war. Je länger man auf das Bild blickt, desto mehr zerfällt der militärische Schein: Die Uniform ist veraltet, Mütze und Gewehr sind wie Requisiten abgestellt und die Wehranlage hat auch schon bessere Tage gesehen. Der – reichlich betagte – Soldat ist augenscheinlich nicht gefechtsbereit, die alte Kanone nicht funktionstüchtig. Carl Spitzweg hat das Thema des strickenden Soldaten seit 1838 immer wieder dargestellt. Die Varianten sind nie gleich, sie zeigen jedoch stets einen Soldaten, der strickend, gähnend oder einfach dahockend auf eine imaginierte Gefahr in der Ferne blickt. Diese Bilder sind Spitzwegs Kommentar zu einem militärischen Phänomen, das vor allem im kleinstaatlichen Deutschland seit 1830 allerorten um sich griff. Die revolutionären Unruhen infolge der Juli-Revolten in Frankreich führten dazu, dass Privatarmeen und Milizen in den Städten und Dörfern der zum Teil winzigen deutsche Fürstentümer gebildet wurden. Die Schilderung dieser bewaffneten Einheiten ist komisch, die Rekruten wie die Ausstattungen waren für die Landesverteidigung ungeeignet – der Kanonier, der strickend und antriebslos Wache schiebt, ist das Sinnbild dieses absurden Militarismus. Carl Spitzweg selbst war Mitglied eines Künstler-Freikorps, was ihm jedoch lästig war. Seinen Briefen kann man entnehmen, dass er von allem Militärischen, den Aufmärschen und Paraden, nicht sonderlich viel hielt. Wie in anderen Meisterwerken Spitzwegs, so wird auch hier die Botschaft durch eine berückende malerische Qualität transportiert. Diese zeigt sich in den bröckelnden Backsteinen oder den Pflanzen und Gräsern, die sie überwuchern, ebenso in der Schilderung der Kanone oder der verwitterte Mauer, gegen die das Gewehr gelehnt ist. Spitzweg hat unendlich viel Mühe darauf verwandt, die militärischen Gerätschaften zu studieren, dies wissen wir durch die Vielzahl an Skizzen, die er anfertigte, wenn er auf seinen Reisen einmal eine Garnison, eine Wehranlage oder eine Kanone zu Gesicht bekam. Der erste Besitzer des Gemäldes, war Fürst Franz von Colloredo-Mansfeld in Prag, der vermutlich auch die Zweitfassung besaß – ein fürstlicher Sammler, der den militär- und politikgeschichtlichen Hintersinn verstand, Spitzwegs Humor goutierte – und der auch die künstlerische Qualität von Spitzwegs Bildern zu schätzen wusste. Provenienz Kunsthändler Karsch, Breslau, 1847 (als "Schildwache an Kanone [strickend]"). - wohl Sammlung Fürst Franz Colloredo-Mansfeld, Prag (lt. Wichmann 2002, S. 263). - Rudolph Lepke, Berlin, 8.2.1910, Lot 92 (als "Auf dem Wall"). - Sammlung Adolf Herbst, Triebes bei Gera (Reuß). - Hugo Helbing, München, 30.4.1912 (Sammlung von Ölgemälden moderner Meister: aus dem Besitze des verewigten Herrn Kommerzienrat Adolph Herbst, Triebes [Reuss]), Lot. 109. - wohl W. de Neufville, Frankfurt/Main (auf der vorgenannten Auktion erworben). - Weinmüller, München, 17.3.1965, Lot 1682 (als "Lug ins Land"). - Neumeister, München, 21.3.2001, Lot 975 (als "Friede im Lande"). - Dort erworben. Literaturhinweise Günther Roennefahrt: Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, 1960, Nr. 782. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg 1808-1885, Bildreihen zum strickenden Kanonier und zum Wachsoldaten auf der Festung, München 1975, passim, S. 16, Nr. 17, m. Abb. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg. Vorposten des bewaffneten Friedens, 1982, S.29 (Abbildung) Text S. 30. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg. Bildreihen zum strickenden Kanonier und zum Wachsoldaten auf der Festung, Sonderdruck Starnberg 1990, Nr. 17. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg. Kunst, Kosten und Konflikte, 1991, S. 313, Nr. 64. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg, Friede im Lande, Dokumentation, Starnerg/München 1990, S. 5ff. - Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, 2002, S. 262-263, Nr. 492, Abb. S. 262. Ausstellung Haus der Kunst, "Karl Spitzweg und die französischen Zeichner", München 1985, Nr. 400, Abb. S. 255.

Taxe: 250.000 - 300.000 

Losnummer: 13



Weitere Inhalte:

Kunstsparte:


Malerei

Stilrichtung:


Gemälde des 19. Jahrhunderts

Stilrichtung:


Biedermeier

Stilrichtung:


Münchner Schule

Stilrichtung:


Neuere Meister

Bericht:


Plädoyer für eine vergessene Epoche

Kunsttechnik/Material:


Öl auf Leinwand

Veranstaltung vom:


26.10.2024, Auktion 1262: Romantik und Realismus. Werke einer Privatsammlung




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