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Der Künstler Adolf Luther würde heuer 110 Jahre alt. Auf dem Kunstmarkt erleben seine Spiegelobjekte seit Jahren ein Comeback. Eine Ausstellung und eine neue grundlegende Publikation feiern den Geburtstag

Lichtgestalt oder spiegelnder Pharisäer?



Adolf Luther mit einem Linsenobjekt, 1973

Adolf Luther mit einem Linsenobjekt, 1973

Wenn man sich einem Kunstwerk Adolf Luthers nähert, verändert sich der Anblick mit jeder Bewegung. Egal ob der Kopf gedreht oder Arme gestreckt werden – seine Spiegelobjekte bewirken simultan bewegte, ineinander verwobene Korrespondenzen zur realen Welt. Von weitem bietet sich ein diffuses Bildgeschehen, dass beim Herantreten in verworrene Effekte zerfällt. Für das Sehvermögen des Betrachters bedeutet es eine Herausforderung, mit der konfusen gebrochenen neuen Realität jenseits der Realität umzugehen. Nicht wenige Aussteller auf Kunstmessen versuchen, diese Verlockungen zu nutzen, indem sie Luthers Werke als Zugnummer platzieren, um Besucher in die Koje zu lenken, wohl wissend, damit speziell, aber nicht nur, ein eher gut betuchtes Sammlerklientel anzusprechen. In der Tat: Resultate bei Auktionen bis in die Sechsstelligkeit, die Preise auf Kunstmessen und die Zahl seiner verkauften Arbeiten sind in der letzten Zeit stetig geklettert. Was verbirgt sich hinter dem mit den Gepflogenheiten der Kunstwelt nicht vertrauten Autodidakten, der gerade deshalb auch nicht in die ZERO-Gruppe aufgenommen wurde?


Adolf Luther kam am 25. April 1912 in der damals noch selbständigen Rhein-Stadt Uerdingen zu Welt. Keine zwei Jahre später musste er kriegsbedingt nach Essen ziehen, wo er nach der mittleren Reife kurzzeitig in einem Architekturbüro eine Anstellung fand und danach die Inspektorenlaufbahn bei der Stadtverwaltung einschlug. Nach einer Sonderprüfung zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife folgten das Jurastudium in Köln und Bonn, Wehrdienst, Kriegseinsätze und 1943 die juristische Promotion. Nach Kriegsende kam Luther 1945 aus der Gefangenschaft wieder in das mittlerweile zu Krefeld gehörende Uerdingen zurück, absolvierte das Referendariat und arbeitete dann als Jurist bei Verwaltungsgerichten in Minden und Düsseldorf. Erst 1957 beantragte er die Entlassung aus dem Staatsdienst und gab den Richterberuf auf. Als jemand, der immer nebenbei gezeichnet und aquarelliert hatte, wünschte er sich mehr Zeit für das künstlerische Schaffen. Mit Mitte 40 trat er von Krefeld aus als Spätberufener in das künstlerische Geschehen ein.

Ein dicker, drei Kilo schwerer Prachtband gibt zu seinem 110. Geburtstag Aufschluss über seine Anfänge als Künstler. Eine ausgedehnte und den Hauptteil einnehmende Bildabfolge führt neben zwei bündigen Einführungen seine künstlerische Genese vor Augen. Landschaftsaquarellen, Naturstudien, Blumen- und Jagdstillleben, biblischen Motiven teils im impressionistischen Duktus sowie einer von Pablo Picasso inspirierten Phase folgt ab 1948 die Reduzierung des Figurativen bis zur Ungegenständlichkeit. Mit pastosen monochromen Farbaufträgen in reliefartigen Oberflächengestaltungen versuchte Adolf Luther das Licht durch Reflexionen oder Schattenbildungen zu fassen. Mithilfe einfarbig weißer „Materialbilder“ erprobte er dann die Befreiung des Lichtes vom Dinglichen. Doch erschien ihm zur Entmaterialisierung das Glas das geeignetste Medium. Nach der Aktion „Flaschenzerschlagen“ im Jahr 1961 und Experimenten mit Aluminium und Rauch ging Luther zu Brillengläsern, konkav-konvex gewölbten Hohlspiegeln, Linsen und Prismen über. Die rechteckigen, runden, durchsichtigen oder halbtransparenten Spiegel-Licht-Objekte sollten dem Zweck dienen, Licht sichtbar werden zu lassen.

Adolf Luther führte seine Kunst besonders mit der Architektur zusammen, um ihr und den Räumen zu einer eindrucksvollen Geltung zu verhelfen und deren Materialität zu überwinden. Bei vielen Arbeiten im öffentlichen Raum ist ihm das gelungen. Er stieg zum „künstlerischen Botschafter“ der BRD auf, wie etwa seine Spiegeldecke im Nato-Saal des alten Bonner Bundeskanzleramts, die Wasserlinsen vor dem dortigen Bundestag oder die Arbeiten in Botschaften und weiteren Staatsbauten unter Beweis stellen. Die enge Beziehung zum Betrachter markierte einen Kernpunkt seines Schaffens, mit dem er Jurys zu überzeugen verstand. So erhielt er viele bedeutende Aufträge, etwa für die Münchner Olympiahalle, das ICC in Berlin oder etliche Raumgestaltungen für Banken, Bahnhöfe und Konzertsäle. Seine Objekte wurden zu Brücken zwischen Technik und Kunst, Verstand und Seele. Die eher nüchternen, sachlich kalten Arbeiten standen im Gegensatz zu dem konservativen, religiös-katholischen und überzeugten CDU-Mitglied Adolf Luther. Im Jahr 1976 machte er dann mit dem Mondprojekt von sich reden: Seine damals noch unrealistische Idee sah vor, mithilfe von Spiegeln oder Satelliten das Sonnenlicht auf die dunkle Nachtseite des Mondes zu projizieren.

Von Interesse ist auch die private Kunstsammlung Luthers. Wenige Tage vor seinem Ableben am 20. September 1990 wurde die 32 Arbeiten umfassende Kollektion im Krefelder Haus Esters erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Damals erschien kein Katalog. Dieses Desiderat wird nun durch eine Dokumentation in Bild und Text nebst kunsthistorischer Analyse von Markus Heinzelmann revidiert. Die Werkauswahl vor allem von Vertretern der Nouveaux Réalistes, der ZERO-Bewegung und der Konstruktivisten verdeutlicht Luthers inspirative Quellen. Von Kasimir Malewitsch bis El Lissitzky, von Heinz Mack bis Hermann Goepfert, von Arman über Yves Klein bis Ad Reinhardt oder Joseph Beuys demonstriert sie im direkten Vergleich zu Luthers Œuvre, welche geistigen Strategien und originelles Input die Kunst vorangebracht haben. Die Sammlung ist heute Bestandteil der 1989 gegründeten Adolf-Luther-Stiftung, die den gesamten Nachlass des Lichtkünstlers samt Immobilien und eigenen Werken verwaltet.

Im Oktober ist im Museum unter Tage der Situation Kunst in Bochum eine Retrospektive zu Luthers Geburtstag angekündigt. Schon jetzt erhältlich ist der Band „Adolf Luther: Licht Light. Werk und Sammlung“. Herausgegeben von Magdalena Broska, Silke von Berswordt-Wallrabe und Markus Heinzelmann im Hirmer Verlag München kostet er 69 Euro.



25.04.2022

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

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Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973
Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973

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Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973
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Adolf Luther mit seiner Kunstsammlung, 1973
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Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973

Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973

Adolf Luther in seinem Krefelder Atelier, 1973

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Adolf Luther mit seiner Kunstsammlung, 1973

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Adolf Luther mit dem Mönchengladbacher Museumsdirektor Johannes Cladders, 1970

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