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Trotz regionaler Wirkung gilt der Barockbaumeister Johann Caspar Bagnato als Protagonist auf dem Feld repräsentativer Gebäude kleinerer Herrschaften im 18. Jahrhundert

Heitere Anmut und Frömmigkeit eines Landbaumeisters



Johann Caspar Bagnato, Mainau: Schloss und Kirche St. Marien, ab 1732

Johann Caspar Bagnato, Mainau: Schloss und Kirche St. Marien, ab 1732

Aus allen Richtungen weithin sichtbar erhebt sich hoch oben auf einem Felsplateau das Inselschloss der Mainau. Die Ansicht gehört zu den attraktivsten Motiven der südwestdeutschen Kunst- und Kulturlandschaft. Das einst für den Deutschen Orden errichtete Ensemble mit Kirche und Gärten gewinnt bis heute als Residenz adeliger Herrschaften eine zusätzliche Aura. Es ist das Werk von Johann Caspar Bagnato, einem im südwestdeutschen Sprachraum über 30 Jahre hinweg agierenden Architekten und Bauunternehmer. Rund 60 Projekte sind von ihm nachweisbar. Zu seinen ersten Bauten gehörte die Anlage auf der Mainau, ein eindrucksvolles Referenzobjekt, mit dem er sich empfahl und das ihn zeitlebens beschäftigen sollte. Während einer Inspektionsreise verstarb Bagnato 1757 dort und fand seine letzte Ruhe in der Gruft der Schlosskirche St. Marien, seinem frühen Sakralbau, dessen Typus für alle nachfolgenden Kirchen Modellcharakter besitzen sollte.


Nähert man sich landseitig durch die weitläufigen Parkanlagen dem Ensemble, kommt einem die weit vor die Dreiflügelanlage des Schlosses vorgerückte Kirche quasi entgegen. Die einheitliche Fassung verschmilzt durch ockergelbe glatte Wandflächen und die Gliederung mittels rotbrauner Lisenen die Gebäudegruppe mit der Brücke vom Schloss zum Herrschaftsoratorium im Kirchenchor zu einer kompakten Einheit. Zuerst wurde im Jahr 1732 mit der Errichtung der Kirche auf den Fundamenten des Vorgängerbaus begonnen. 1734 vollendet und 1739 geweiht, setzt das Gotteshaus mit seinen ovalen Fenstern sowie dem markanten Turm über dem Giebel der Westfassade einen eigenständigen Akzent. Nur ein Seiteneingang bietet Zutritt in die vierachsige Saalkirche mit den eigentümlichen querschiffartigen Erweiterungen zwecks Aufnahme von Emporen. Als spezielle Eigenart Bagnatos gilt die schräge Stellung der Seitenaltäre zum Chor hin. Die Trichterform bewirkt eine schwungvolle Weiterleitung des Blicks zum Altar. Für die Detailausstattung konnte Bagnato bedeutende Künstler wie Joseph Anton Feuchtmayer, Francesco Pozzi oder Franz Joseph Spiegler gewinnen.

An der Stelle der mittelalterlichen Burganlage entstand bis zum Jahr 1746 der dreiflügelige hufeisenförmige Schlossneubau als repräsentative Residenz des Komturs des Deutschen Ordens, der 1271/72 in den Besitz der Insel gelangte. Landseitig besticht der Komplex durch harmonische Proportionen und den würdevollen Ehrenhof. Über einem Wellenschlaggesims enthält der hoch gezogene Risalit des Corps de Logis das farblich gefasste und weithin sichtbare Wappen mit den Emblemen der zuständigen Deutschordensoberen, während seeseitig lediglich das allgemeine Deutschordenswappen angebracht ist. Durch ein dreiteiliges Portal gelangt der Eintretende in den bis zur Seefront durchgehenden Gartensaal, der nach 1856 vom neuen großherzoglichen Besitzer als „Wappensaal“ neu eingerichtet wurde.

An der Stelle eines zentralen opulenten Treppenhauses bestehen im Gegensatz zu anderen Barockschlössern lediglich innenliegende Stiegen in den Seitenflügeln. Zweihüftig angelegte Raumfluchten gut proportionierter, mit Stuckdecken versehener Salons beherbergten neben der Ordensverwaltung, neben Wohn- und Gästeräumen im zweiten Obergeschoss des Nordflügels die opulente Wohnung des Komturs. Heute residiert hier Graf Björn Bernadotte. Der Weg dorthin führte früher durch den über zwei Etagen geführten Audienzsaal in der Mitte des Hauptbaus. Der heutige, nach außen durch einen kleinen Balkon akzentuierte „Weiße Saal“ wurde um 1875 im neobarocken Sinn überformt.

Die Mainau war gewissermaßen die Visitenkarte Bagnatos als Modell einer zeitgemäßen Residenz. Leider lässt sich heute nur noch wenig über sein Leben in Erfahrung bringen. Als dritter Sohn des aus dem Tessin stammenden Maurers Paolo Bagnato und seiner deutschen Ehefrau Anna Maria Stickelmeyer erblickte Johann Caspar am 13. September 1696 im pfälzischen Landau das Licht der Welt. Im Zuge des Ausbaus der Reichsstadt zur Festung und des damit verbundenen Bedarfs an Bauhandwerkern hatte es um 1690 den Vater hierher verschlagen. Ab 1700 in Speyer ansässig, kam Paolo hier 1704 bei einem Sturz von einem Gerüst zu Tode. Johann Caspar Bagnato ist ab 1725 als Maurer, Steinhauer und Landvermesser in Bad Mergentheim nachweisbar. In seinem Besitz befindliche Rissbücher und Architekturtraktate lassen ein Selbststudium des erst 29jährigen, schon verwitweten Mannes vermuten.

Bald darauf in Ravensburg ansässig, heiratete Bagnato hier 1729 erneut und war seitdem als Baumeister beim Deutschen Orden für ein Jahressalär von 300 Gulden angestellt. Nebenbei durfte er aber auch für andere, vornehmlich kirchliche Bauherren tätig werden. Seinerzeit schon recht revolutionär agierte er als Generalunternehmer und -planer. Johann Caspar Bagnato führte ein straff organisiertes Ein-Mann-Unternehmen und zog für Details wie Stuckarbeiten bekannte Künstler heran. Er selbst lieferte Entwürfe, verfasste Abrechnungen, organisierte und beaufsichtigte den Bauablauf. Für jede Maßnahme schloss er einen „Generalakkord“ ab. Nach dem Ableben seiner zweiten Ehefrau im Jahr 1740 heiratete er 1756 erneut. Stetige Arbeitsüberlastung und permanentes beschwerliches Reisen griffen seine Gesundheit stark an. Am 15. Juni 1757 verstarb er nach einem Gichtanfall auf der Mainau.

Zu den besonderen Merkmalen seiner Architektur gehört die freie Stellung einzelner Bauten in additiver Art nach niederländischem oder französischem Vorbild. Dies bot den Vorteil, in Etappen je nach Finanzlage die Bauten in Angriff zu nehmen. Die bestechend sorgfältige Durchgestaltung der Fassaden zeichnen zudem seine Projekte aus. Bagnatos Bauschaffen setzte mit den nur bruchstückhaft realisierten Planungen für die Kommende Altshausen bei Ravensburg ein. Die heutige Residenz des Herzogs von Württemberg gilt als überaus überzeugende Schöpfung des jungen Baumeisters. Ab 1729 wurden im additiven Verfahren einzelne Teile der um einen Ehrenhof gruppierten Dreiflügelanlage ausgeführt. Dazu gehörten das markante Torgebäude, der 1731 errichtete Reitstall, die bis 1733 vollendete Reitschule sowie bis 1741 ausgeführte Beamtenhäuser südlich des Torflügels. Dann ging dem Bauherrn das Geld aus. Lediglich den Umbau der Schlosskirche konnte um 1750 noch begonnen werden.

Bemerkenswert ist auch die mitten am Mainzer Bischofsplatz gelegene ehemalige Johanniterkommende Zum Heiligen Grab. Dem zwischen 1740 bis 1748 errichtete Solitär des Corps de Logis mit dem kennzeichnenden Mittelgiebel sind zwei den Ehrenhof flankierende Pavillons vorgelagert. Heute residiert hier das bischöfliche Ordinariat. Stolze 700 Gulden Honorar erhielt Johann Caspar Bagnato für die zwischen 1737 und 1738 errichtete Kirche St. Georg in Zuzgen im Kanton Aargau. Gefasst in der ihm zueignen gelbroten Farbgebung erhebt sich der geschlossene Baukörper am Ortsrand. Die ländliche Saalkirche besitzt einen fünfseitigen Polygonalchor, zu dem zwei rechteckige Annexe überleiten.

In der Grundrissdisposition nahezu identisch mit St. Marien auf der Insel Mainau zeigt sich die 1741 vollendete Kirche St. Remigius in Merdingen bei Freiburg im Breisgau. Lediglich um ein Drittel größer ausgeführt, gilt der Bau als Bagnatos farblich wie architektonisch ausgewogenste Lösung unter seinen Pfarrkirchen. Sein größter Kirchenbau war die Damenstiftskirche Unserer Lieben Frau in Lindau. Zwischen 1748 bis 1752 entstand sie für 14.000 Gulden Honorar im „Generalakkord“ auf den Ruinen einer unvollendeten Kirche als festlicher Wandpfeiler-Emporensaal. Der vom Umfang her größte Auftrag des Architekten war seine Tätigkeit für das Kloster Obermarchtal. Zwischen 1747 bis 1757 erweiterte und ergänzte Johann Caspar Bagnato den von Michael Thumb zuvor geschaffenen Bestand. Hierzu gehörten der Mittelrisalit mit den großen Sälen, Wirtschaftsgebäude und Gartenanlagen. Doch an Ganzheitlichkeit und Formschönheit bleiben seine Bauten auf der Mainau mit dem modellhaft formvollendeten Kirchenbau, seinem Erstlingsbau in dieser Disziplin, unübertroffen. Experten sehen hierin den Ausgangspunkt des schwäbischen Hochbarocks.



26.05.2020

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

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 Stiegenhaus im Seitenflügel des Schlosses, ab 1732
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Johann Caspar Bagnato, Mainau: Das Wappen des Deutschen Ordens über dem Eingang zum Schloss

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Johann Caspar Bagnato, Mainau: Stiegenhaus im Seitenflügel des Schlosses, ab 1732

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Johann Caspar Bagnato, Torgebäude des Schlosses Altshausen, ab 1729

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Johann Caspar Bagnato, Münster Unserer Lieben Frau in Lindau, 1748-1752

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Johann Caspar Bagnato, Die Kirche St. Marien auf der Schlossinsel Mainau, ab 1732

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Johann Caspar Bagnato, St. Remigius in Merdingen, 1738-1741

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Johann Caspar Bagnato, Kirche St. Georg in Zuzgen, 1737/38

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Johann Caspar Bagnato, Mainau: Das Wappen des Deutschen Ordens an der Seeseite

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Johann Caspar Bagnato, Ehemaliges Schloss des Deutschen Ordens auf der Insel Mainau, ab 1732

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Johann Caspar Bagnato, Mainau: Kirche St. Marien, ab 1732

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Johann Caspar Bagnato, Mainau: ehemaliger Audienzsaal, heute Weißer Saal im Schloss

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