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Portrait des amerikanischen Photographen Stephen Shore

American Surfaces



Tarrytown

Tarrytown

Das Fotografieren scheint Stephen Shore in die Wiege gelegt worden zu sein. Denn der 1947 in New York City geborene Künstler schoss im Alter von sieben Jahren seine ersten Aufnahmen und begann mit Experimenten in seiner Dunkelkammer. Mit 14 drängte es ihn, den Grandseigneur der Fotografie in Amerika, Edward Steichen, kennenzulernen und ihm seine Bilder zu zeigen. Shore griff zum Telefon, rief bei Steichen an, der ab 1946 Kurator der Fotosammlung des Museum of Modern Art in New York war, erbat einen Termin und bekam ihn.


Stephen Shore erinnert sich: „Ich kam rein und er sah sich meine Bilder an. Ich hatte ein Exemplar des Buchs ´Steichen the Photographer´ bei mir, er schrieb ein Autogramm hinein. Er war schon sehr alt, und er kaufte drei meiner Prints für das MOMA“. Damit gelang dem jungen Fotografen rasch der Eintritt in die arrivierte Kunstwelt. Andere bekannte Künstler mussten weit mehr Mühen und Zeit für solch einen Erfolg einsetzen, so auch Andy Warhol, den Shore 1965 bei einer Filmvorführung in der New Yorker City begegnete.

Die Zeit mit Andy Warhol

Shore war in dieser Zeit auf der Suche nach seiner eigenen künstlerischen Richtung, seiner speziellen Sichtweise und fand in Andy Warhols Factory die Inspiration vor, die seine künstlerische Haltung entscheidend prägen sollte. Fast täglich fotografierte er von 1965 bis 1968 in der Factory und dokumentierte mit seinen Schwarz-Weiss-Fotografien die kreative Künstler- und Musikerszene um Warhol, unter anderem die legendäre Popgruppe Velvet Underground, für die Andy das Bananen-Plattencover gestaltete. Das Buch „The Velvet Years“ zeigt die Arbeiten aus dieser Zeit und stellt eine wertvolle Bild- und Textdokumentation der künstlerisch vielschichtigen Factoryszene dar. Aufnahmen von Filmsets, Partys, Atelierarbeit, Musiksessions und New Yorker Straßenszenen beleuchten dies spannende Treiben.

Mit 24 Jahren war Shores künstlerische Karriere wiederum von einem erstaunlichen Erfolg gekrönt. Denn 1971 durfte er im Metropolitan Museum in New York eine Einzelausstellung ausrichten. Damit war Shore der erste Fotograf, dem diese Ehre zu Lebzeiten widerfuhr.

American Surfaces

In den frühen 70er Jahren begab sich Shore mit einer 35mm Kamera auf eine zweimonatige Reise von New York nach New Mexico. Es begann eine Schaffensphase, die ihn einem größeren Publikum bekannt machte. Insbesondere die brillanten, hochqualitativen Farbvergrößerungen von amerikanischen Landschaften und Stadtansichten verschafften ihm Aufmerksamkeit. Diese objektiv scheinenden Beschreibungen von Orten wie Motels, Kaufhäusern, Vorstadtszenen und Parkplätzen, die in ihrer nüchternen Darstellung von kommerziellen Images eine Verbindung zur Pop Art und fotorealistischer Malerei darstellen, gelten heute als seltene Abbilder einer inzwischen verschwundenen Ästhetik in der amerikanischen Architektur und Landschaftsgestaltung der späten 60er und frühen 70er Jahre.

1972 stellte erstmals die Light Gallery in New York die mit 200 Aufnahmen umfangreiche Farbbilderserie American Surfaces vor und verkaufte die Originalabzüge in den Bestand des Metropolitan Museum in New York. Diese Serie wird zurecht als Schlüsselwerk in Shores Karriere gesehen. Nicht zuletzt durch Shores künstlerische Haltung erhielt in dieser Zeit die dokumentarisch ausgerichtete Fotografie eine veränderte Wertstellung und Beachtung in der Kunstszene.

New Topographics

Dieser Begriff wurde 1975 anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im International Museum of Photography im George Eastman House in Rochester geboren, um jene Fotografen zu charakterisieren, die im Gegensatz zur subjektiv bezogenen und durch den Künstler emotional geladenen Fotografie, die eher nüchterne, objektive scheinende Abbildungen alltäglicher Industriekultur zeigten. Dafür Grundlage war die Idee der „sozialen Landschaft“. Sie versuchte zu erforschen, wie die Menschen auf ihre natürliche Umgebung gestalterischen Einfluss nehmen. In dieser bedeutenden Sammelausstellung wurden neben Shores Aufnahmen die Arbeiten der bekannten deutschen Fotografen Bernd und Hilla Becher sowie Arbeiten von Robert Adams, Lewis Baltz, Joe Deal, Frank Gohlke, Nicholas Nixon, John Schott und Henry Wessel gezeigt. Dies war auch die Zeit, in der Stephen Shore zahlreiche Preise und Stipendien erhielt, so das National Endowment for Arts und das Guggenheim Stipendium 1975.

Der Landschaftsfotograf

Während der 80er Jahre weitete Shore seine Aufmerksamkeit von den urbanen Szenen auf Landschaften aus. Er verfolgte damit konsequent seinen Weg, indem er unberührte Aspekte der Welt untersuchte, aber jetzt in natürlichen Umgebungen, unter anderem in Montana, Texas und Schottland. Verglichen mit Architekturfotografie stellte dies für Shore eine weit größere Herausforderung dar. Denn es sei weit schwieriger, reinen Naturaufnahmen ästhetische Aussagen zu entlocken, so Shore. Im Einklang mit seiner Überzeugung, dass Licht und Farbe die hervorstechendsten Werkzeuge des Fotografischen Sehens sind, gelang es ihm auch in dieser Schaffensphase, dem Betrachter einen Zugang zu neuer Empfindsamkeit bei der Wahrnehmung von Details, Beschaffenheit und Mustern zu ermöglichen.

Shore als Professor

Seit 1982 leitet Stephen Shore das “Photography Department” am Bard College in Annandale-on-Hudson, New York. Als Fotografieprofessor beeindruckt die unkomplizierte, direkte Sprache in der Shore sein Wissen und seine Erfahrungen vermittelt. Seinen Schülern beschreibt er das Wesentliche seiner künstlerischen Philosophie: "A photographer solves a picture, more than composes one". Es geht ihm um den Klärungsprozess innerhalb eines bereits Gegebenen, nicht um die Erschließung eines grundsätzlich Neuen, wie es im Akt des Komponierens entstehen würde. Seit seiner Ernennung zum Professor lebt Stephen Shore mit seiner Familie in der ländlichen Umgebung von Tivoli im Staate New York. Nachdem er Anfang der 70er Jahre mit "American Surfaces" die Farbfotografie aufnahm, beschäftigte er sich seit den frühen Achtzigern wieder häufiger mit der Schwarz-Weiß-Fotografie.

"Uncommon Places"

Besondere Aufmerksamkeit erregte Shore mit seinen Monographien "Uncommon Places". Er verwendete dafür seit 1992 eine Großbildkamera mit dem Filmformat 8 x 10 inch, das entspricht 20 x 25 cm. Solch eine Kamera, die etwa die Ausmaße eines Fernsehgeräts einnimmt, erfordert von dem Fotografen ein genaues Wissen über die Wirkung der gewählten Motive. Shores "Kompositionen", die er mit diesem Verfahren aufnahm und als Kontaktabzüge auf Fotopapier brachte, bieten eine größtmögliche Schärfe und Präzision bei der Wiedergabe. Die Aufnahmen beinhalten eine enorme räumliche Tiefe, die durch eine geschickte Anordnung von Objekten im Bildvordergrund, die in den Bildhintergrund überleiten, erreicht wird. Es dominieren Anschnitte urbaner Architektur, in denen sich wie in einem Bühnenbild, nie dominant, aber doch präsent, ihre Bewohner, die Menschen, bewegen.

Marktanalyse

Seine Aufnahmen sind im Stil der Dokumentarfotografie gearbeitet, die Bilder aber immer Resultate seiner subjektiven Sicht. Er steht in der Tradition der Fotografen, die diese sachlich wirkende Art einer persönlichen Fotografie geprägt haben: Eugéne Atget mit den Bildern von Paris um die Jahrhundertwende und Walker Evans mit seinen Ende der zwanziger Jahren entstandenen Fotografien von Amerika. Da die Fotografie allgemein im Aufwärtstrend liegt, gibt es auch einen wachsenden Markt für Arbeiten von Shore, so der Berliner Galerist und Spezialist für Fotografie, Rudolf Kicken. Außerdem habe Shore die jüngere Künstlergeneration um Struth und Gursky beeinflusst. Liebhaber deren Kunst würden jetzt auch auf Shore zurückgreifen.

Da Stephen Shore bis in die 90er Jahre hinein keine Auflagen bevorzugte, ist nicht bekannt, wieviel Abzüge es von frühen Aufnahmen gibt. Rudolf Kicken nimmt an, dass es pro Aufnahme aus den 70er Jahren zwischen 3 und 20 Vintages gibt, die der Galerist je nach Motiv bis zu 20.000 Mark anbietet. Neuere Abzüge von den Fotografien aus dieser Zeit gibt es bei Shore nicht. Heute legt er seine Fotografien in acht Exemplaren auf. Insgesamt bietet der Markt wenig Aufnahmen. So bleibt seine Kunst begehrt und die Preise stabil.

Auf Auktionen tauchen Arbeiten von Shore vor allem in Deutschland selten auf. Eine Datenbankrecherche ergab, dass in den letzten Jahren bei insgesamt vier Auktionen vier Aufnahmen angeboten wurden. Das Bild „Bay Theatre, second street, Ashland, Wisconsin“ von 1973 wurde bei Lempertz in Köln 1998 bei einem Schätzpreis von 1.000 DM für 1.200 DM veräußert. Bei der Auktion im November 2000 bei Schneider-Henn aus München wurden alle drei typischen Fotografien über ihren Taxen abgegeben: Bei „West 9th Avenue, Amarillo/Texas“ von 1974 fiel der Hammer bei 5.000 Mark (Taxe 3.000 DM), „Kimbaus Lane Moody/Maine“ ebenfalls von 1974 fand für 5.500 Mark einen Käufer (Taxe 3.000 DM) und „U.S. 1, Arundel/Maine“ kletterte sogar von geschätzten 2.800 Mark auf 8.000 Mark.

Prognose

Stephen Shore, einer der wichtigen lebenden Vertreter amerikanischer Fotokunst, war von jungen Jahren an erfolgreich und anerkannt. Seine besten Arbeiten überzeugen durch hohe künstlerische und technische Qualität und gelten meist als wichtige Dokumente der Zeitgeschichte. Gleichzeitig sind die Aufnahmen durch seine subjektive, künstlerische Sichtweise geprägt. Damit wird Shore sicherlich auch weiterhin im Markt an Bedeutung gewinnen. Durch Ausstellungen, wie in der SK Stiftung in Köln 1999 oder in der Galerie Kicken in Berlin (20.1. bis 16.3.2001) und der Galerie Conrads in Düsseldorf (19.5. bis 15.7.2001), wird Shores Werk in Deutschland weiter an Beachtung finden.



24.01.2001

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Georg Nägle

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