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Karel Appel feiert seinen 80. Geburtstag

Vom Straßenmaler zum Kunststar



Karel Appel, Animal, 1952

Karel Appel, Animal, 1952

Einer der erfolgreichsten lebenden Künstler der Niederlande feierte in diesem Jahr sein Jubiläum: Das „Farbspeiende Ungeheuer“, der Maler Karel Appel, ist 80 Jahre alt geworden. Appel, der mit seinen expressiven und forschen Bildern die niederländische Kunstszene der 50er und 60er Jahre aufmischte, musste lange um Annerkennung und Erfolg kämpfen. Heute hat der Maler, dessen Bilder in den wichtigsten Museen der Welt hängen und auf Auktionen sechsstellige Beträge einbringen, jedoch schon lange ausgesorgt. Weiterhin künstlerisch tätig pendelt der Nimmermüde zwischen seinem Schlösschen in Frankreich und seinen Appartements und Häusern in New York, Monaco, Paris, Connecticut und der Toskana.



Am 25. April 1921 in Amsterdam als zweiter Sohn eines Coiffeurs geboren, sollte der junge Karel den Laden des Vaters übernehmen. Da sich der Teenager aber keineswegs zu den Tätigkeiten eines Friseurmeisters berufen fühlte, geriet er mit seiner Familie in Streit. Auf seinen Entschluß, Maler zu werden, drohte der Vater dem 19jährigen mit dem Rauswurf. Also zog Karel los. Es warteten harte Jahre auf Appel, und mit der Besetzung der Niederlande durch die Nazis 1940 wurde alles noch schlimmer. Vollkommen auf sich allein gestellt, brachte sich der junge Künstler mit Portraitzeichnungen durch, die er für einen Gulden in Hafenkneipen oder auf der Straße verkaufte. Bisweilen konnte er auch kleine Bilder oder aus Sperrmüll gefertigte Skulpturen gegen Lebensmittel oder Tabak eintauschen. 1942 wurde der Maler nach seinem zweiten Aufnahmeantrag Student an der Reichsakademie der Künste in Amsterdam. Dies verbesserte zwar seine wirtschaftliche Lage nicht wesentlich, ersparte ihm jedoch den Arbeitsdienst in Deutschland.

Die zwei Lehrjahre an der Akademie prägten die Kunst des Jungen jedoch wenig. Im Gegenteil: In seiner zukünftigen Entwicklung wurden Dogmen und akademische Lehrsätze zu seinem Lieblingsfeindbild. Die „Groupe Experimental Hollandais“, die Appel 1948 mit seinen Künstlerfreunden Constant und Corneille gründete, war nur von kurzer Lebensdauer. Ihre Zielsetzung, eine Kunst zu schaffen, die frei war von den „korrumpierenden Einflüssen“ formaler, akademischer Tradition, die den kulturellen Weg zurückschreiten wollte bis zu einem unintellektuellem, instinktiven Werkschaffen, fand vielmehr Interessierte, als dass sie nur auf Holland beschränkt bleiben durfte.

Am 8. November des selben Jahres entstand im einem Pariser Cafe die Künstlergruppe „COBRA“. Neben den Amsterdamern Appel, Constant und Corneille stammten die Gründungsmitglieder aus Kopenhagen und Brüssel. Die zusammengesetzten Anfangsbuchstaben der Heimatstätten ergaben den „bissigen“ Namen der Vereinigung. Das „Antiprogramm“ gegen Traditionen und Lehrsätze wurde für die Gruppe zum Programm. Maler, aber auch Dichter, suchten in der Kunst von „Primitiven“, Geisteskranken und Kindern ihre Anregungen und gingen damit erneut den Weg der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Obwohl die Idee nicht neu war, gelang es damit Furore zu machen.

Als Appel 1949 das Wandbild „Vragende Kinderen“ (Fragende Kinder) für die Kantine des Amsterdamer Rathauses fertigstellte, kam es zu Aufständen. Den schockierten Beamten verging der Appetit. Zwar hatten sich die Staatsdiener ein Wandbild gewünscht, aber für Appels Werk, das in Form und Farbe an eine Kinderzeichung erinnert, hatten sie überhaupt kein Verständnis. Um das Bild zu schützen, das durch den ständigen Beschuss von „broodjes“ und Kaffe arg in Mitleidenschaft gezogen wurde, beschloss der Stadtrat, die Wand hinter einer weißen Tapete zu verbergen. Heute freut man sich über die fröhliche Malerei, die längst wieder befreit und restauriert worden ist.

Trotz der Aufstände lies der Durchbruch noch auf sich warten. Erst 1953 feierte Appel seine ersten Einzelausstellungen im Palais des Beaux Art in Brüssel sowie nachfolgend in New York und Paris. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Gruppe „COBRA“ bereits aufgelöst, und Appel ging wieder seine eigenen Wege. 1954 auf der 27. Biennale von Venedig gewann er zusammen mit Pablo Picasso und Joan Miró den UNESCO-Preis. Kurze Zeit später wurde Appel mit dem „Oscar“ für Malerei ausgezeichnet: 1957 erhielt er für „Vrouw met Struisvogel“ als jüngster Künstler aller Zeiten den Guggenheim International Award. Ein Jahr darauf wurde das „Infant terrible“ sogar von der niederländischen Königin Juliana zum Ritter geschlagen.

Der Niederländer hatte sich einen begeisterten Kreis treuer Fans und Sammler aufgebaut, die auch seine stilistischen Wandlungen mitgingen. Ab Mitte der 50er Jahre, nach dem Ende seiner „COBRA“-Phase, werden Appels Bilder abstrakter. An die Stelle von Landschafts- oder Personendarstellungen treten freie, energische Linien in der Kraft leuchtender Buntfarben. Beispielhaft für diese Phase ist das Gemälde „Köpfe im Raum“ von 1958. Der explosive Farbauftrag in kraftvollen Linien und die unruhige, pastose Oberfläche sind Zeugen von Appels ekstatischer Malweise.

Die Arbeiten aus dieser Zeit ähneln zwar Werken des abstrakten Expressionismus der USA, doch Appel hat sich nie als abstrakter Maler verstanden: „Abstrakte Malerei ist eine Mode, ein Stilprodukt. Ich verwende immer Formen, die auf sprechenden Gegenständen basieren. Man soll eine Sache als Ganzes betrachten und sich nicht in Details verlieren. (…) Ich verstehe mich selbst als einen figurativen Maler und ich male auf expressive Weise.“

In den 70er Jahren wandelte sich Appel weiter. Der einzelne Pinselstrichs gewinnt in seinen Werken mehr Bedeutung. Seine Arbeiten wirken nahezu gestisch. Mit wenigen schwungvollen Pinselattacken formt Appel sein Bild. Erneut stößt der Maler auf Kritik, man wirft ihm „Schmiererein“ vor. In den 80er Jahren sind die Bilder wieder geprägt von figürlichen Darstellungen, dazu tritt ein narrativer Gehalt. Seine Fantasiewelten wirken düster und bedrückend, die Farben sind dunkel und metallisch. Seit den späten 80ern ist Appel mit seiner Palette jedoch wieder zu lebhafteren und leuchtenden Farben seiner frühen Phase zurückgekehrt.

Zu seinem runden Geburtstag wird der Revolutionär von früher gleich mit drei großen Ausstellungen geehrt. Bis zum 24. Juni lief im Stedelijk Museum in Amsterdam einen Schau mit Gemälden aus den letzten 15 Jahren. In Den Haag zeigte das Gemeentemuseum eine Retrospektive mit Arbeiten von 1940 bis 2000 auf Papier. Das Cobra-Museum in Amstelven, das im Dezember letzten Jahres Appels Gemälde „Kinder mit Hund“ für umgerechnet 320.000 Mark ankaufte, widmete sich den Skulpturen des Meisters.

www.karelappel.com



24.10.2001

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Alberto Saviello

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Karel Appel, Vragende Kinderen, 1949

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