Die Kunst, online zu lesen.

Home


Künstler

Portraits


Biographien A-Z





Kunst kaufen
Werben

Translation EnglishFrench

Auktionsanzeige

Am 15.11.2024 Auktion 1253: Kunstgewerbe

© Kunsthaus Lempertz

Anzeige

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé

Ländlicher Garten (mit Bauernhaus) / Arnold Balwé
© Kunsthandel Ron & Nora Krausz


Anzeige

Garten mit Rittersporn, Rudbeckia, Mohn und Mergeriten / Klaus Fußmann

Garten mit Rittersporn, Rudbeckia, Mohn und Mergeriten / Klaus Fußmann
© Kunsthandel Hubertus Hoffschild


Newsmailer Eintrag

Bestellen Sie bitte hier:


Suchen mit Google

Google
WWW
kunstmarkt.com

Portraits

Aktuellzum Archiv:Künstler-Portrait

Also nochmals – wer ist Urs Lüthi? - Teil 2

Die Wandlung von der Welt zum Selbst



Urs Lüthi, Something like falling off the world, 1979

Urs Lüthi, Something like falling off the world, 1979

Es scheint so, als ob sich Lüthi in seiner Kunst mit derselben Frage beschäftigt, denn in vielen seiner lebensgroßen, schwarzweißen oder farbigen Fotosequenzen steht er sich selbst Modell. Besonders in seinen frühen Arbeiten scheint er selbst sein hauptsächliches Thema zu sein – monumentalisiert, im krassen Realismus oder unter Verwendung künstlicher Verkleidungen und gestellter Posen setzt er sich selbst in Szene.



Bereits in den frühen 70ern erweitert Lüthi den Rahmen seiner Ausdrucksmöglichkeiten. Dazu gehört unter anderem das Stilmittel der Bildsequenz, bei der verschiedene Aufnahmen zu einer Einheit zusammengestellt werden. Erst in ihrer Zusammenschau teilt sich das Werk dem Betrachter mit. Die Bildaussage kann in der Visualisierung von Abläufen bestehen, Prozesse sichtbar machen, aber auch in witzigen Details und Formanalogien vielschichtige Bedeutungsdimensionen entfalten.

Als willkürliches Beispiel mag hier „Something like falling off the world“ von 1979 dienen. Die Fotosequenz besteht aus zwei Aufnahmen. Die erste Darstellung zeigt den entkleideten Urs Lüthi mit einer langen, künstlichen Gumminase im Gesicht, der wie ein nackter Zwerg mit seiner Nase aus dem Bild schielt. Auf einem kleinen Glastischchen vor ihm befindet sich eine Vase mit vier Anturien, deren rote Blütenblätter sich prachtvoll vor dem blauen Hintergrund abheben. Auf der zweiten Abbildung fehlt Lüthi. Dafür sind die Blumen in den Mittelpunkt gerückt. Erst jetzt fällt auf, was den Blüten im vorigen Foto fehlte. Nämlich die schmalen, länglichen Blütenstempel, die frech inmitten der Blütenblätter emporstreben. Schnell hat man erkannt, dass die Form der Blütenstempel auf die überdimensionierte Nase im vorigen Bild anspielt, und muss schmunzeln. Das Schmunzeln wandelt sich bald zu einem Grinsen, denn man weiß ja Bescheid über das Verhältnis der Nase zu anderen Teilen der männlichen Anatomie – Lüthis im Schoß zusammengelegte Hände und sein feixender Gesichtsausdruck machen so erst richtig Sinn – und den Blütenstempeln lässt sich ein gewisser phallischer Charakter durchaus nicht absprechen. Man beginnt zu ahnen, dass so mancher Freudianer der Interpretation der Bildsequenz ganze Bände widmen könnte.

Ähnliche Verwandlungen bietet auch „They have lived in our neighborhood for many years and they are friendla people“. Auch diese Arbeit von 1976 besteht aus zwei Aufnahmen. In der Ersten steht ein in bläulich kühlen Farbtönen nahsichtig aufgenommener Globus auf einer kahlen Tischplatte. Im Hintergrund ist der Ausschnitt eines Fensters mit heruntergelassenen Jalousien zu erkennen. Aha, der Blick auf die reale Welt ist versperrt. Statt dessen steht ein kleinformatiges künstliches Modell zur Verfügung, das die ganze Welt darstellen soll. Auf dem nächsten Bild präsentiert sich die gleiche Örtlichkeit - nur dass der Globus gegen Urs Lüthi ausgetauscht wurde. Lüthi sitzt mit nacktem Oberkörper hinter dem Tisch, die Hände auf die Tischplatte gelegt und bläst mit gespitztem Mund eine Kaugummiblase auf. Die Formanalogie des runden Globus und der Kaugummiblase fällt sofort auf und lässt schmunzeln. Aber sie gibt auch Anlass zu umfangreichen Spekulationen. Unser „Bild von der Welt“ – nichts weiter als eine vom Zerplatzen bedrohte Blase voll heißer Luft?

Der Bildwitz, der sich in solchen Serien mal mehr, mal weniger subtil entfaltet, wird oftmals durch Bildtitel begleitet, die ihrerseits zum Nachdenken anregen. Die Darstellung eines eleganten Jünglings kann mit dem Titel „Today is the first day of the rest of your life“ (Heute ist der erste Tag vom Rest Deines Lebens) konnotiert sein – und lässt das Bild zu einem „memento mori“ werden, das an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnert. Die scheinbare Witzigkeit droht wie bei einem Vexierbild schnell ins Ernste umkippen. Die Frage „Wer ist Urs Lüthi?“ kann unmittelbar zu einer Frage nach der eigenen Identität und nach dem, was die Welt zusammenhält, mutieren.

Jüngstes Beispiel ist Lüthis Ausstellung im Münchener Lenbachhaus unter dem Titel „Run for your life“ aus der Serie „Placebos and Surrogates“. Gleich in einer ganzen Reihe von Kunstwerken, diesmal nicht fotografischer Natur, versorgt Lüthi seine Mitmenschen großzügig mit motivierenden Slogans zur Selbsthypnose wie „I’m beautiful“ oder „I’m a Sexmachine“, die wie Placebos, also bunte Zuckerpillen ohne medizinischen Wirkstoff, den Alltag erträglicher machen. Die Sprüche zieren bonbonbunte Kaffeebecher oder in Massenproduktion gegangene Frisbeescheiben. Doch das seriell produzierte Glücksgefühl überzeugt nicht und hinterlässt einen schalen Nachgeschmack.

Vielleicht ist es ganz gut, dass sich die Frage nach Lüthi und der Welt nicht ganz so leicht auf den Punkt bringen lässt. Auf diese Weise bleibt immer noch genug Raum für Überraschungen. Der anfangs erwähnte Katalogbeitrag von Cécile Dumont endet: „Es soll Querschläger geben, die als solche unerkannt bleiben, weil sie immer ins Schwarze treffen. Ich glaube, der Lüthi ist einer von denen. Und macht sie.“



18.04.2001

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Matthias Koch

Drucken

zurück zur Übersicht


Empfehlen Sie den Artikel weiter:
an


Weitere Inhalte:

Bericht:


Mit der Kamera auf Identitätssuche

Bericht:


Urs Lüthi erhält Arnold-Bode-Preis

Variabilder:

Urs Lüthi, They have lived in our neighbourhood for many years and they are very friendly
 people, 1976
Urs Lüthi, They have lived in our neighbourhood for many years and they are very friendly people, 1976

Variabilder:

Urs Lüthi, Detail aus der Installation „Run for your life“,2000
Urs Lüthi, Detail aus der Installation „Run for your life“,2000

Variabilder:

Urs Lüthi, Therapy (Freedom), 1998
Urs Lüthi, Therapy (Freedom), 1998

Variabilder:

Urs Lüthi, Low action games, 1998
Urs Lüthi, Low action games, 1998

Variabilder:

Urs Lüthi, Something like falling off the world, 1979
Urs Lüthi, Something like falling off the world, 1979

Künstler:

Urs Lüthi







Portraits

 Achenbach, Andreas
 Ahtila, Eija-Liisa
 Alÿs, Francis
 Appel, Karel
 Arlt, Elsbeth
 Bagnato, Johann Caspar
 Balla, Giacomo
 Baselitz, Georg
 Beer, Tjorg Douglas
 Beutler, Michael
 Beuys, Joseph
 Bleyl, Fritz
 Boberg, Oliver
 Bonatz, Paul
 Borowsky, Natascha
 Botticelli, Sandro
 Bredow, Rudolf
 Brus, Günter
 Burkhard, Balthasar
 Böhm, Gottfried
 Carron, Valentin
 Chillida, Eduardo
 Chirico, Giorgio de
 Cmelka, Kerstin
 Colani, Luigi
 Conrads, Michael
 Darboven, Hanne
 Davis, Lynn
 Eliasson, Olafur
 Freud, Lucian
 Gaillard, Cyprien
 Gaß, Nabo
 Gelitin - Gelatin
 Giacometti, Alberto
 Gilot, Françoise
 Gogh, Vincent van
 Grcic, Tamara
 Grimm, Johann Georg
 Götz, Karl Otto
 Hackert, Jakob Philipp
 Hans, Rolf
 Haring, Keith
 Hirst, Damien
 Huber, Stephan
 Huth, Walde
 Huyghe, Pierre
 Höller, Carsten
 Ingold, Res
 Kazuhiko, Hachiya
 Kokoschka, Oskar
 Koo, Jeong-a
 Koolhaas, Rem
 Kuball, Mischa
 Kunc, Milan
 Lebeck, Robert
 Lippmann, Holger
 Lucas, Sarah
 Luther, Adolf
 Lüthi, Urs
 Mack, Heinz
 Marcks, Gerhard
 Margolles, Teresa
 Martin, Agnes
 Nauman, Bruce
 Nay, Ernst Wilhelm
 Newman, Barnett
 Niemeyer, Oscar
 Nussbaum, Felix
 Oppenheimer, Joseph
 Paik, Nam June
 Permeke, Constant
 Piene, Otto
 Prinz, Bernhard
 Raffael
 Renner, Lois
 Roentgen, David
 Sala, Anri
 Schlingensief, Christoph
 Schneider, Gregor
 Scholte, Rob
 Schröder, Linn
 Schwer, Paul
 Schwontkowski, Norbert
 Shore, Stephen
 Shulman, Julius
 Siem, Wiebke
 Sierra, Santiago
 Soulages, Pierre
 Spierling, Hubert
 Stewen, Dirk
 Tee, Jennifer
 Thun, Sophie
 Tobias, Gert und Uwe
 Trockel, Rosemarie
 Tuttle, Richard
 Tàpies, Antoni
 Utzon, Jørn
 Vinci, Leonardo da
 Warmerdam, Marijke van
 Weiss, David
 Wesselmann, Tom
 West, Franz
 Wissel, Stefan
 Wolfson, Jordan
Urs Lüthi, They have lived in our neighbourhood for many years and they are very friendly people, 1976

Urs Lüthi, They have lived in our neighbourhood for many years and they are very friendly people, 1976

Urs Lüthi, Detail aus der Installation „Run for your life“,2000

Urs Lüthi, Detail aus der Installation „Run for your life“,2000

Urs Lüthi, Therapy (Freedom), 1998

Urs Lüthi, Therapy (Freedom), 1998

Urs Lüthi, Low action games, 1998

Urs Lüthi, Low action games, 1998




Copyright © '99-'2024
Kunstmarkt Media
Alle Rechte vorbehalten


Impressum





Zum Seitenanfang Künstler

 Amazon export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce  Amazon ebay rakuten yatego meinpaket export/import Schnittstelle xt:commerce u. oscommerce