
In den ersten Jahren seiner freiberuflichen Tätigkeit überwog im Schaffen des äußerst diszipliniert arbeitenden Künstlers zweifellos die Landschaftsmalerei. Deren suggestiv-surreale Auffassung rief bereits ein erstes Interesse bei Fachkritik, Sammlern und Galeriepublikum hervor. Rezensenten sahen in den Landschaften Oleinikovs – unterstützt durch eine raffinierte, an Alten Meistern wie Caravaggio und Tintoretto geschulten Lichtdramaturgie – imaginierte „Lichtbilder“ (Vogue), eine Welt zwischen „Realität, Traum, Erinnerung“ (Dresdner Neueste Nachrichten) oder eine „unwirtlich fantastische Welt“ (Die Welt) erstehen.
Im Unterschied zu diesen frühen Werken ist in den seit dem Umzug nach Berlin entstandenen Gemälden und Zeichnungen das rauschhafte Rot der Landschaftsmalerei weitgehend abgedunkelten Grau- und Grüntönen gewichen. Der thematische Schwerpunkt der künstlerischen Produktion hat sich – in allegorischer Zuspitzung und in herausfordernder Melancholie – hin zur menschlichen Figuration und zu Existenzthematisierungen verschoben. In schonungsloser Direktheit geben jetzt Igor Oleinikovs Bilder „Einblicke in die Tiefen, Wandlungen und Abgründe eines kreativen Typus’, der uns ansonsten zunehmend als ein über alle Selbstzweifel erhabener Erfolgsgarant in Modemagazinen, auf Kunstmessen oder anderen ‚Events’ erscheint.“ Dieser Umbruch im Werk und der durch ihn vollzogene Fokus auf die menschliche Figur wird in dem im Jahre 2008 durch die Galerie Döbele Dresden GmbH herausgegebenen, repräsentativen Buch (Igor Oleinikov: Sturm, Dresden: Sandstein Verlag 2008) auf signifikante Weise deutlich.
Igor Oleinikov wurde 1968 in Krasnodar, der südrussischen Metropole zwischen Kaukasus und schwarzem Meer, geboren. Die Entwicklung des noch in der Sowjetunion aufgewachsenen Malers ist geprägt von gesellschaftlichen und biografischen Brüchen. Nach Kunstfachhochschulabschluss und Militärzeit arbeitete Igor Oleinikov ab 1989 mit gerade 20 Jahren als Agit-Prop-Maler in einer Lederwarenfabrik in Krasnodar. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zog Igor Oleinikov 1991 nach Moskau, wo erste größere Ausstellungen seiner Werke folgten.
Den Moskauer Jahren folgte 1996 die Übersiedlung nach Deutschland.
Sein Kunststudium absolvierte Oleinikov ab 1997 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei Prof. Meuser, bevor er ein Jahr später an die Düsseldorfer Akademie wechselte, zunächst in die Klasse von Prof. Jörg Immendorff und dann, im Jahre 2001, in die Klasse von Prof. Markus Lüpertz, dessen Meisterschüler er 2003 wurde.
Seine neuen, seit dem Sommer 2009 entstandenen großformatigen Arbeiten reduziert Oleinikov mit bildhauerisch anmutender Akribie auf das Wesentliche. Zu sehen sind entrückte Gestalten in dunklen Waldszenarien. Durch die virtuose Verschmelzung von Ölmalerei und Bleistiftzeichnung wirken die monumentalen Einzelgestalten in Oleinikovs Bildern wie aus Stein gemeißelt. Der sie umgebende Wald dient als hermetischer Raum, frei von allen Zeitbezügen, Querverweisen und ironischen Brüchen.
An den geschlossenen Augen, die im Widerspruch zur Haltung/Bewegung/Gestik der Gestalten stehen, lässt sich ablesen, worauf sich der Blick von Igor Oleinikovs Malerei richtet: Menschliche Innenansichten und Visualisierung von Geisteshaltungen, die, wie Karin Thomas bereits bei früheren Werken Oleinikovs konstatiert hat, zwischen Aufbruch und Melancholie oszillieren.
Die monumentalen Bilder erfordern eine doppelte Betrachtungsweise: Aus der Distanz wirken die Gestalten kraftvoll und plastisch ausgeformt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich Oleinikovs feingliedrige Arbeitsweise. Gesichter, Hände, Schuhe und Gegenstände sind aufgespannt von einem zarten Gewebe aus Ölfarbe und Bleistiftzeichnung. Die Gestalten scheinen einem inneren Zersetzungsprozess ausgesetzt. Pflanzenartig frisst sich partiell grelle Farbe in sie ein und widersetzt sich so der schwarz-weißen Gesamtwirkung der Arbeiten.
Igor Oleinikov besetzt mit diesen Bildern keine thematische Nische, übt weder Konsumkritik, noch nimmt er an sonstigen Diskursen des Alltags teil. Er schafft eine figurative Malerei mit abstraktem Inhalt, die sich am grundsätzlichen Mythos des menschlichen Seins auflädt. Oleinikov unterwirft seine Bilder einer organischen Formgestaltung, in der das Wesentliche in den inneren Strukturen liegt und er zeigt so, dass sich die Malerei von innen heraus erneuern kann.
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Igor Oleinikov
1968 geboren in Krasnodar, Russland
1983 Kunstfachhochschule Krasnodar
1987 Diplomabschluss
1987-1989 Militärdienst
1989-1990 Agit-Prop-Maler in der Lederwarenfabrik Smirnov, Krasnodar
1990 freischaffender Künstler, erste Ausstellungen in Krasnodar und Moskau
1991 Umzug nach Moskau
1994 erster Besuch in Deutschland
1996 Umzug nach Karlsruhe
1997 Beginn des Studiums, Kunstakademie Karlsruhe, Klasse Prof. Meuser
1999 Wechsel zur Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Jörg Immendorf
2001 Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Markus Lüpertz
2003 Ernennung zum Meisterschüler durch Prof. Markus Lüpertz
2004 Akademiebrief, Kunstakademie Düsseldorf
2005-2008 freischaffender Künstler – nach Ateliers in Karlsruhe und Düsseldorf lebt und arbeitet Igor Oleinikov seit Juli 2007 in Berlin
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