Mutig: Die Sammlung von Hester Diamond bei Sotheby’s in New York  |  | im Wohnzimmer von Hester Diamond in New York | |
„Fearless“ hat Sotheby’s seine Auktion der Sammlung von Hester Diamond überschrieben, und in der Tat ging die im Januar 2020 mit 91 Jahren verstorbene Grande Dame der New Yorker Innenausstatter- und Kunsthändlerriege unerschrocken ihre Sachen an. Sie kombinierte gekonnt Alte Meister mit moderner Kunst, stellte furchtlos klassische und junge Designobjekte daneben und griff beherzt in den Farbtopf, was sich auch in ihrer Vorliebe für bunte Mineralien niederschlug. Sie habe eine der großartigsten und eigenwilligsten Kunstsammlungen Amerikas zusammengestellt, schrieb das Lifestyle-Magazin Departures. Wichtig war Diamond dabei immer, dass das erste Kriterium für einen Kunstkauf – vielleicht ihr einziges – die Liebe zu dem Objekt war. Im Laufe ihres langen Lebens interessierte sie sich zunächst für Moderne und Zeitgenossen, angeregt durch die legendäre New Yorker Galeristin Martha Jackson, später entdeckte sie ihre Vorliebe für die italienische Kunst des Quattro- und Cinquecento und sammelte darüber hinaus Kunstwerke des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem nordalpinen Raum.
Nun wird ihre Sammlung am 29. Januar innerhalb der Masters Week bei Sotheby’s in New York in alle Winde zerstreut. Das mit 3 bis 5 Millionen Dollar am höchsten bewertete malerische Werk ist ein Bilderpaar, auf dem Dosso Dossi zwei Szenen aus Vergils Epos „Aeneis“ verhandelt hat: die „Pest in Pergamea“ und die „Sizilianischen Spiele“. Die Gemälde von 1520/21 mit ihren frischen, beinahe venezianisch anmutenden Farben und ihrem Detailreichtum hat Alfonso d’Este für seine „camerini d’alabastro“ am Castello Estense in Ferrara bestellt. Sie gehörten zu Dossis zehnteiligem Zyklus, dem sogenannten „Aeneas-Fries“, und hingen dort neben Historien von Tizian und Giovanni Bellini hingen. Ein wenig ausgezehrt und fahl sowie mit vom Scheitel herabwuchernden Haaren kniet die büßende Maria Magdalena vor einem schlichten Holzkreuz. Das Gemälde von Filippino Lippi mit schroffen Felsen und kümmerlichen Bäumchen scheint von den schmalen Jahren zu zeugen, die unter dem Florentiner Bußprediger Savonarola herrschten: Devotion und Kargheit. Bei Sotheby’s soll es dennoch 1,5 bis 2,5 Millionen Dollar bringen.
Ebenfalls museal ist Pieter Coecke van Aelsts Triptychon mit Szenen aus der Kindheit Jesu. Mit leuchtendem Kolorit und reich mit ausschmückenden Kleinigkeiten in der Tradition des niederländischen Detailrealismus platzierte der Brüsseler Maler die Anbetung des Jesuskindes durch die drei Weisen aus dem Morgenland in der Mitte, flankiert von der „Geburt Jesu“ und der „Darstellung im Tempel“ (Taxe 2,5 bis 3,5 Millionen USD). Ähnlich farbenfroh, aber schon mit anderer Figurenbehandlung setzte der in Utrecht arbeitende Joachim Anthonisz Wtewael seine Anbetung der Hirten 1615 in Szene: Zwar sind die Menschen, die zur Krippe kommen, jämmerlich bekleidet, aber ihre Körper sind verdreht sowie muskulöser und massiger im manieristischen Stil ausgearbeitet (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD). Schon eher dem Barock verhaftet ist Federico Baroccis eindrucksvolle Kreide- und Ölstudie mit dem Kopf des heiligen Joseph, mit der in der Mitte der 1580er Jahre sein Altargemälde der Heimsuchung für die Kirche Santa Maria in Vallicella in Rom vorbereitete (Taxe 600.000 bis 800.000 USD).
Dass Hester Diamond auch Skulpturen zugetan war, beweist das am höchsten bewertete Objekt des Kataloges: Eine Allegorie des Herbstes von Pietro Bernini und seinem Sohn Gian Lorenzo Bernini. Auf einer ansteigenden Plinthe steht ein Mann mit der Physiognomie eines Herkules. Er pflückt gerade ein paar Früchte von einem überbordend vollen Ast. Insgesamt scheint sich sein Körper leicht schraubenartig nach oben zu drehen, was ein wenig an die manieristischen Statuen Giambolognas erinnert. Zudem weist die Skulptur Parallelen zu einer Statue in Berlin auf, die ebenfalls von den beiden Berninis stammt. Ihre Marmorskulptur um 1615/18 soll 8 bis 12 Millionen Dollar einspielen. Aus dem deutschen Kunstkreis steht dann ein um 1515/20 von Jörg Lederer in Kaufbeuren geschnitzter und gefasster heiliger Sebastian mit exaltiertem Gewandschwung für 600.000 bis 1 Million Dollar bereit. Zusammen mit seiner Werkstatt ist Lederer zudem für das Relief eines Marientods verantwortlich (Taxe 200.000 bis 300.000 USD).
Der 1955 geborene Kalifornier Barry X Ball bezieht sich bei seinen Skulpturen auf die barocke Kunst und hat sich bei seinem weiblichen Sinnbild des Neids aus mexikanischem Onyx bei einer theatralischen Vorlage Giusto Le Courts aus der Ca’ Rezzonico in Venedig bedient (Taxe 200.000 bis 300.000 USD). Auch den Neuen Medien gegenüber war Hester Diamond aufgeschlossen. So hing in ihrer Wohnung Bill Violas Videodiptychon „Ablutions“ von 2005. Die Arbeit aus seiner berühmten siebenteiligen Serie „Purification“ zeigt eine Frau und einen Mann Seite an Seite beim quasirituellen Akt des Händewaschens und lässt eine kontemplative Sphäre entstehen, die den Betrachter auf die menschliche Figur und die körperliche Reinigung fokussiert (Taxe 80.000 bis 120.000 USD). |