Irina Antonowa gestorben  |  | Die Grande Dame der russischen Museumswelt ist tot: Irina Antonowa | |
Die russische Kunsthistorikerin und Präsidentin des Moskauer Puschkin-Museums Irina Antonowa ist tot. Die 98jährige verstarb am Montag in Moskau, wo sie 1922 geboren wurde. Als Tochter des sowjetischen Gesandten wuchs sie unter anderem bis 1933 in Berlin auf, wo sie auch Deutsch lernte. Später studierte Antonowa Kunstgeschichte an der Lomonossow-Universität in Moskau. Im Krieg war sie neben dem Studium auch als Krankenschwester tätig. Nach ihrem Abschluss bei Kriegsende arbeitete sie im Puschkin-Museum, das seit seiner Eröffnung 1912 neben der St. Petersburger Eremitage zu den bedeutendsten Museen Russlands zählt. Von 1961 bis 2013 war Antonowa dort Direktorin, im Anschluss daran Präsidentin. So wurde unter ihrer Leitung der „Schatz des Priamos“, der bis zum Zweiten Weltkrieg im Berliner Völkerkundemuseum ausgestellt war, zum ersten Mal im Puschkin-Museum gezeigt und 1996 in die Dauerausstellung integriert.
Bekannt und nicht unumstritten war Irina Antonowa wegen ihrer Stellungsnahmen zu der in Russland lagernden Beutekunst aus deutschen Museen. Sie betrachtete die Verbringung, beispielsweise des bronzezeitlichen Goldschatzes von Eberswalde, als Kompensation für die von den Nazis zerstörten oder aufgelösten Museen. Die Haager Konvention, die den Diebstahl von Kunstgegenständen als Kriegsverbrechen deklariert, empfand sie als nicht mehr zeitgemäß. Zudem legte sie eine Klausel des russisch-deutschen Nachbarschaftsvertrags von 1990, der eine Restitution geraubter Kunst vorsieht, so aus, dass nur unrechtmäßiger, aber nicht kriegsbedingter Abtransport rückgängig gemacht werden müsse.
Antonowa sei eine der eindrucksvollsten Persönlichkeiten der russischen Museumswelt gewesen, würdigte Hermann Parzinger, der Präsident der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Verstorbene. „Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie es für gerecht hielt, kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter aus Deutschland als Entschädigung in Russland zu behalten. Als nach dem Fall des Eisernen Vorhanges intensivere Kooperationen zwischen deutschen und russischen Museen auch zur Beutekunst möglich wurden, war sie jedoch eine verlässliche Partnerin. Dafür danken wir ihr!“ |