Drachen im Textilmuseum  |  | Zeremonielle Robe für einen hochrangigen daoistischen Priester, China, Qing-Dynastie, 1803 | |
Bis in die Jahre um Christi Geburt war in China die Produktion und Veredlung von Seide ein wohl gehütetes Geheimnis. Mit der Ausweitung des Handels über neue „Seidenstraßen“ sowie Herstellung von Seide im östlichen Mittelmeerraum brach das Monopol. Doch bis in die Gegenwart blieb das Reich der Mitte der Exporteur für Seide schlechthin. Im späten Mittelalter etablierten sich in Europa weitere Produktionsstandorte. Im 18. Jahrhundert stieg Krefeld zur bedeutenden Seidenweberstadt auf. Eine Webschule diente als Ausbildungsstätte. Hier wurde zu Studienzwecken und als Anregung eine Websammlung eingerichtet. Aus der vor 140 Jahren gegründeten Sammlung ging das Deutsche Textilmuseum hervor, das in seinem Fundus rund 2000 ostasiatische Textilien hütet, davon 500 aus China. Speziell diese standen bei einem Forschungsprojekt im Fokus, das in einer Ausstellung gemündet ist. Das Deutsche Textilmuseum beschränkt sich dabei auf 120 Exponate, die das Motiv des goldenen Drachens eint.
Während im westlichen Kulturkreis der Drache für Bedrohung und Schrecken steht, verheißt er in China Glück und kündet vom Auftrag des Himmels, zu regieren. Schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen, versinnbildlicht der Drache die chinesische Identität schlechthin. Um 200 v. Chr. sieg er zum Symbol des Kaisers und seines himmlischen Mandats auf. Trotz ähnlicher Erscheinungsformen zeigen kostbare Gewänder mannigfache Varianten des Wesens, meist als ein schuppenbedeckter, schlangenähnlicher Leib mit gezackter Rückenfinne, vier kräftigen Beinen und klauenbewehrten Füßen. Gesetze zur Regulierung von Bekleidungssitten legten im 17. Jahrhundert fest, dass der fünfklauige Drache ausschließlich der kaiserlichen Familie vorbehalten ist. Niedrigere Adelige und Beamte durften nur den vierklauigen tragen.
Die Krefelder Ausstellung geht auf eine Vielzahl von Gestaltungsmustern ein. Pflanzen, Tiere, geometrische Muster wie beispielsweise das die Erde symbolisierende Quadrat fügen sich zu einer eigenen Welt. In kniffligen Gewebearten und Bindungen teils unter Einsatz von Goldfäden aufwendig hergestellt, vermitteln die großen Gewänder in kräftigen Farben mit ihren Gottheiten und Symbolen detaillierte Informationen über Rang und gesellschaftliche Position der Träger der Textilien. Neben höfischen und zeremonieller Roben hochrangiger Priester präsentiert die von Walter Bruno Brix konzipierte Ausstellung Textilien des Kaiserhofes, darunter Teppiche, Behänge, Wandbespannungen, Kissen, prächtige, auf Kontraste ausgerichtete Theaterkostüme, Mandschu-Damen- und Herrengewänder, Banner- und Rangabzeichen. Zudem umfasst sie ab dem 16. Jahrhundert für den Export produzierte Textilien. Den Abschluss bilden im Westen nach eigenen Interpretationen gefertigte Chinoiserien und ein sogenannter „Mao-Anzug“ samt Mütze mit rotem Stern, der als zeitgemäßes Nationalgewand ab den 1960er Jahren Modernität, Fortschrittsglauben und die Abkehr vom traditionellen chinesischen Gewand spiegelt.
Die Ausstellung „Drachen aus goldenen Fäden – Chinesische Textilien aus der Sammlung des Deutschen Textilmuseums Krefeld“ präsentiert zu bestimmten Terminen Einzelstücke im Rahmen einer mit dem Auto im Krefelder Ortsteil Linn anfahrbaren „Drive Inn-Schau“. Regulär soll sie vom 20. Dezember bis zum 2. Mai 2021 laufen. Der Museumsshop ist durchgehend geöffnet und bietet den vom Ostasienexperten Walter Bruno Brix verfassten und fundierten Ausstellungskatalog für 31 Euro an.
Deutsches Textilmuseum
Andreasmarkt 8
D-47809 Krefeld
Telefon: +49 (0)2151 – 946 94 50
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