Das Wiener Belvedere zeigt ein bisher unbekanntes Fragment eines spätgotischen Fastentuchs
Ausschnitt aus der Heilsgeschichte
Thomas Artula von Villach, Fastentuch-Fragment, um 1470/80
Die Ausstellung passt genau zur Fastenzeit: Das Untere Belvedere in Wien zeigt im Schaudepot des Schatzhauses Mittelalter im Prunkstall das Fragment eines bisher unbekannten Fastentuchs aus dem späten Mittelalter. Es ist identifiziert als ein Werk des Kärntner Malers Thomas Artula von Villach, von dem bisher keine Textilarbeiten bekannt waren. Die frisch restaurierte Textilie wurde 2009 vom Belvedere in alarmierend schlechtem Zustand erworben und dank der Hilfe der Abegg-Stiftung aus Riggisberg bei Bern restauriert. Bis Ende Mai ist das Tuch in der Ausstellungsreihe „Aktuell restauriert“ im Unteren Belvedere zu sehen.
Das kostbare Fragment, bis 2008 in der Sammlung Carl von Frey im Freyschlössl in Salzburg beheimatet, ist ein Ausschnitt aus einem bilderreichen Fastentuch aus der Zeit um 1470/80, vergleichbar mit dem erhaltenen Exemplar des Domes von Gurk. Geschildert wurde darauf wohl die Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zum Weltgericht. Der erhaltene Ausschnitt zeigt Szenen aus dem Alten Testament: das Auflesen des Mannas in der Wüste, das Quellwunder Mose, die Eherne Schlange, den Tanz um das Goldene Kalb, die Gesetzesübergabe an Moses sowie die Bestrafung der Israeliten durch Moses.
Der Gebrauch von Fastentüchern ist seit über tausend Jahren dokumentiert. Sie verhüllten während der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern vielerorts Chorräume, Altäre, Kreuze oder Bilder. Bemalte Exemplare sind allerdings erst ab dem frühen 15. Jahrhundert in Mitteleuropa, vor allem im Alpenraum, erhalten. Das Tuch muss aus einer größeren Kirche in Kärnten stammen – aus welcher, ist nicht mehr feststellbar.
Das Belvedere präsentiert das Tuch gemeinsam mit Tafelgemälden und Wandmalereien des Thomas Artula von Villach, dessen künstlerische und handwerkliche Vielfalt sich dem Publikum somit umfassend erschließt. Die beiden aus Privatbesitz stammenden Tafelbilder aus St. Peter in Salzburg, die das Textilfragment in der Ausstellung ergänzen, waren bisher noch nie in Wien zu sehen. Sie verbleiben nach der Ausstellung im Belvedere, gab Direktorin Agnes Husslein-Arco bei der Eröffnung bekannt.
Damit kann die Mittelaltersammlung erstmals dauerhaft Arbeiten des Kärntner Meisters zeigen. Thomas Artula von Villach, so der historisch verbürgte Name des Meisters, gilt zu Recht als der bedeutendste Kärntner Maler seiner Zeit. Sein umfangreiches Œuvre umfasst etwa Wandmalereien in Gerlamoos, in Thörl, in St. Paul im Lavanttal, die sich heute in musealem Besitz in Villach, Klagenfurt und Bozen befinden. Das Fastentuch-Fragment ist nach Ansicht von Kuratorin Veronika Pirker-Aurenhammer eine künstlerisch herausragende Arbeit des Malers, die sich durch eine konzentrierte Erzählung und eine klare Formensprache auszeichnet.
Die Ausstellung „Aktuell restauriert: Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach“ ist bis zum 25. Mai zu sehen. Das Untere Belvedere hat täglich von 10 bis 18 Uhr und mittwochs zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 11 Euro, ermäßigt 8,50 Euro. Der Katalog kostet 21 Euro.