 |  | wohl Hans Wilhelm Behaim, Zunftlade der Nürnberger Schreinergesellen, 1595 | |
Wer schon immer einmal wissen wollte, woher eigentlich diese schlauen Sprüche kommen, die einem ständig um die Ohren gehauen werden, der sollte nach Nürnberg ins Germanische Nationalmuseum gehen. „Bei Dir ist Hopfen und Malz verloren“ beispielsweise ist eine Weisheit aus dem Brauerhandwerk: Die beiden wichtigsten Zutaten bei der Bierproduktion galten in der Tat als verloren, wenn das Brauergebnis nicht den gewünschten Erfolg hatte. Lohgerber waren es ursprünglich, die aufpassen mussten, dass ihnen nicht die „Felle davonschwammen“; waren es doch häufig Flüsse, an denen sie ihre Produkte ausspülten. „Sein blaues Wunder erleben“ konnte der Färber, der glaubte, er färbe seine Stoffe mit Rot ein, aber nicht bedachte, dass Indigo sich erst an der Luft in Blau verwandelt. Und die Redewendung, etwas „anzuzetteln“? Sie bezog sich eigentlich auf eine Tätigkeit im Weberhandwerk: Längsfäden, die vor dem eigentlichen Weben aufgespannt wurden, nannte man früher „Zettel“.
Dies Alles und noch weitaus mehr lehrt eine ausgesprochen informative, reichhaltig bestückte Ausstellung, die das Germanische Nationalmuseum derzeit über Wesen und Wirken der Zünfte in der frühen Neuzeit veranstaltet. „Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800“ lautet der Untertitel der Schau, die in fünf Abteilungen rund 260 Objekte umfasst. Von den historischen Umständen und Zusammenhängen der Zünfte im Gefüge einer frühneuzeitlichen Stadt über die Lebenswirklichkeit der einzelnen Menschen bis hin zum Wandel des Bildes, das sich spätere Generationen von den Zünften gemacht haben, wird damit erstmals seit über achtzig Jahren ein Körperschaftswesen illustriert, das in seiner Bedeutung für breite Gesellschaftsschichten nicht unterschätzt werden sollte. Die Schau speist sich großteils aus der hauseigenen Sammlung von Zunftaltertümern, die zu den größten ihrer Art weltweit gehört.
Insbesondere die Themenbereiche „Lebensweg und Lebensraum des Handwerkers“ sowie „Alltag zwischen Dürfen und Müssen“ demonstrieren, in welch engen, festgelegten Grenzen sich das Leben eines Menschen vom Dasein als junger Lehrling und Geselle bis hin zum Meister auch im privaten Bereich abspielte. Nicht nur die Festsetzung der Preise und die Kontrolle über die Qualität der Produkte oblagen den Zünften, auch die häuslichen Verhältnisse in einer Werkstatt wurden streng überwacht. Mussten doch die Versorgung der Gesellen durch den Meister gewährleistet sein, Gesellen vor überstrengen Züchtigungen bewahrt, Meister wiederum von fachlich und charakterlich untauglichen Gesellen verschont werden. Mehr oder weniger geistreiche Sprüche in Herbergsbüchern bezeugen, dass die auf Wanderschaft befindlichen Lehrlinge wenigstens in dieser Phase ihres Lebens die gebotenen Freiheiten aller Art möglichst reich auszukosten versuchten.
Kürschner, Schneider, Kerzenzieher, Hufschmiede, Schuster, Glaser, Sattler, Fassmacher, sogar Barbiere und Brillenmacher – alle waren den mitunter bis weit ins 19te Jahrhundert gültigen Zunftordnungen unterworfen. Auch die künstlerischen Berufe blieben davon keineswegs ausgenommen. Ein großer Barockschrank ist Zeugnis der Mühen, die der Mainzer Hans Jakob Setzendreibell 1702/03 auf sich nahm, um sich als Meister endlich eine eigene Existenz aufzubauen. Bereits 16 Jahre zuvor war der aus Würzburg stammende Schreiner als Lehrjunge in die Werkstatt Ferdinand Colmanns eingetreten. Umgekehrt profitierten die Zünfte selbst davon, wenn sie die Messlatte für die handwerkliche Qualität der Produkte ihrer Mitglieder möglichst hochhielten. Die zahlreichen Repräsentationsobjekte wie Handwerksladen, Trinkpokale oder Festaufbauten legen davon reichhaltiges Zeugnis ab.
Die Ausstellung und ihr umfangreicher Katalog sind Ergebnis eines Forschungsprojekts, das sich unter dem Titel „Kulturgeschichte des Handwerks“ seit dem Jahr 2009 diesem wichtigen, im Ausstellungswesen aber bislang wenig behandelten Thema widmet. Erst vor einigen Jahren sei ihm selbst die Einzigartigkeit der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums auf dem Gebiet des Handwerker- und Zunftwesens aufgefallen, so Generaldirektor Ulrich Großmann. Im Verlauf der Untersuchungen trat auch manche Überraschung zutage: Eine etwa fünfzehn Zentimeter lange rechteckige Messingplatte mit rundem Öhr an einem Ende galt bislang als Maßinstrument zur Kontrolle des Wurstumfangs. Das Gewerbe stimmte schon, aber das 1601 datierte Gerät kam in der Arbeit des Fleischers schon einige Schritte vorher zum Einsatz: Es diente zur Wurstbefüllung. Dass es relativ aufwendig gestaltet und trotz seines Alters überdies recht gut erhalten ist, spricht dafür, dass es auch Repräsentationszwecken diente.
Die Ausstellung „Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800“ ist bis zum 7. Juli zu sehen. Das Germanische Nationalmuseum hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Der Katalog zur Ausstellung kostet im Museumsshop 25 Euro, im Buchhandel 33 Euro. |