Das Werk von Andreas Slominski gilt als einer der außergewöhnlichsten Beiträge zur deutschen Gegenwartskunst. Die Sammlung Goetz in München widmet dem Künstler, dessen Arbeiten zwischen Installation und Alltagsobjekt angesiedelt sind, ihre Sommerschau
Rattenfallen und Garagentore
Eine Slominski-Ausstellung ohne seine legendären Fallen, das geht in der Tat nicht. Mit diesen Objekten, mit denen er dem Betrachter eine manchmal absurd verfremdete, aber doch so vertraute und funktionale Wirklichkeit vor Augen hält, hat sich der heute 51jährige schließlich eine unverwechselbare Position im unüberschaubaren Universum der zeitgenössischen Kunst erobert. Kohlegrill und Jutesäcke, ausgestattet mit Köder und trickreichen Schnappmechanismen, werden zur „Drachenfalle“ und „Rattenfalle“, entstanden 1999 beziehungsweise 1998. Und schon aus der Ferne sieht man im Nebenraum einen Kinderwagen, mutterselenallein und abgedeckt mit einem groben Metallgitter. Das Babygefährt entpuppt sich als „Vogelfalle“ und stammt aus dem Jahr 2000. Würden sie nicht wirklich funktionieren, man könnte sie als Nonsens abtun. Aber es gehört zum Konzept von Andreas Slominski, mit seiner ausgetüftelten Mechanik erst einmal Respekt hervorzurufen und so in den Dialog einzutreten. Dass sich Slominski mit seinen Installationen aus ganz alltäglichen Gegenständen als Nachfahre Marcel Duchamps darstellt, der die Idee des ready mades neu interpretiert und mit der Inspiration eines Bildhauers und Performancekünstlers auffüllt, ist offensichtlich.
Ging es Duchamp um die provokante Durchsetzung eines neuen Kunstbegriffs, so geht es Slominski doch vor allem um Metaphern und die erhellend wirkende Kraft der Verführung und Irritation, die die Idee der Fallen fast zu einer doppelbödigen Philosophie des Künstlers macht. Im weitesten Sinne trifft dies denn auch auf seine jüngsten Arbeiten zu. In den Jahren 2005/06 begann Andreas Slominski große Styroporplatten in einer stilistischen Mischung aus Surrealismus, Expressionismus, Pop Art und Arte Povera zu gestalten. Mit grellen Farben besprüht, mit scheinbar wahllos zusammengestellten Alltagsgegenständen wie Bratpfanne und Feuerlöscher oder Schmetterlinge und Skier versehen und mit nichtssagenden Titeln wie „xMSy63z“ oder „xHBy205z“ beschrieben, setzt er sein Konzept fort, dass nichts so ist, wie es scheint, auch wenn es einem bekannt vorkommt.
Fehlt ihm hier etwas die sonst eigene Subtilität, scheint sie wieder bei seinen Garagentoren hindurch, einer Werkgruppe aus dem Jahr 2009. Da ist Slominski wieder nah am ready made. Eine scheinbar direkt aus einer Vorstadtgarage herausmontierte Blechtür, die als Warnung diverse industriegenormte Schilder mit Botschaften wie „leicht entflammbar“ oder „giftig“ trägt und an der als Sinnbild der Wahrhaftigkeit auch ein Paar Arbeitsschuhe hängt, wird hier zu einem Tafelbild. Slominski konterkariert die immer noch als höchste Form der Kunst angesehene Ölmalerei und unterläuft in Abwandlung eines legendären Ausspruch die Wahrnehmungshaltung: „ein Garagentor ist ein Garagentor ist ein Garagentor“. Denn eingefahrene Sichtweisen und falsche Erwartungen, dem Betrachter auch in anderen Installationen suggeriert, machen bekanntlich blind.
So witzig und ironisch manche von Andreas Slominskis Objekten auf den ersten Blick erscheinen und ihn zu einem im Geist Verwandten des Österreichers Erwin Wurm machen, die Nachhaltigkeit von Slominskis Kunst liegt eigentlich in einer Art Subversivität, mit der die Behaglichkeit des Betrachters ins Wanken bringt. Besonders deutlich tritt das in den Aktionen hervor, die mancher Installation wie etwa dem Vexierspiel „Wo sind die Skier“ von 2000 vorausging. Slominski lockte Kunstinteressierte zu seinem Projekt „Phase 2“ auf eine Aussichtsplattform. Zu sehen war dort nichts. Erst beim Abstieg wurde der Aufmerksame mit einem Erlebnis belohnt. Neben der Treppe, unter Bäumen stand der Künstler mitten im Sommer auf Skiern.
Auch wenn Andreas Slominski heute in großen privaten Sammlungen und Museen vertreten ist, ist es der große Vorzug dieser Ausstellung, dass Ingvild Goetz, deren Interesse vor allem neuen Ausdrucksformen der Gegenwartskunst gilt, mit den einzelnen Werkgruppen einen Querschnitt durch die letzten 15 Jahre seines facettenreichen Schaffens aufzeigen kann. Da dürfen die Windmühlen-Skulpturen aus den 1990er Jahren nicht fehlen, die von miniaturhafter, bunter Kleingärtnerzier bis hin zum collagenartig dekorierten Sündenpfuhl „Moulin rouge“ reichen. Der wahre Sinn der Mühlen ist auch hier nicht an der Oberfläche abzulesen, sonder spiegelt sich wiederum im getäuschten Auge des Betrachters.
Die Ausstellung „Andreas Slominski“, die 30 Arbeiten, darunter vier Leihgaben des Künstlers, umfasst, läuft bis zum 18. September. Zu besuchen ist die Sammlung Goetz nur nach telefonischer Anmeldung montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr sowie samstags von 11 bis 16 Uhr. Der reich bebilderte Katalog mit Beiträgen von Ingvild Goetz, Karsten Löckemann, Birgit Sonna und anderen ist im Hatje Cantz Verlag erschienen und kostet 35 Euro.